Ein Zen-Garten für Salzburg, ...

Foto: Andrea Rossetti, courtesy Esther Schipper

... ein Labyrinth für Graz: Der Künstlerkurator und Schamane AA Bronson (geb. 1946 in Vancouver) gastiert aktuell gleich mit zwei Ausstellungen in Österreich.

Foto: Max Wegscheidler, courtesy Grazer Kunstverein

Graz/Salzburg – "Die Toten sind Teil unserer Gemeinschaft", sagt der Heiler und Künstler AA Bronson. Wenn er eine Ausstellung vorbereitet, bindet er daher die Verstorbenen der jeweiligen Umgebung ein, und zwar in erster Linie die von der Geschichte verdrängten. Im Salzburger Kunstverein waren das etwa Frauen und Homosexuelle, die am Scheiterhaufen verbrannt wurden. Bronson meditierte für sie, während er jenen Gewürzbeifuß auslegte, der nicht nur den Boden, sondern auch den geruchlichen Grundton seines Garden of Earthly Delights bildet.

Der Mantel, den Bronson bei seinem schamanistischen Ritual trug, gefertigt aus braunem Leinen und versehen mit einem Kragen aus Elchgeweih, ist indes als Exponat in der Ausstellung geblieben. Präsentiert an einer Modepuppe, bringt er einen Hauch glamouröser Laufstegwelt in die archaisch-erdige Atmosphäre. Nicht unähnlich einem rot-weiß gestreiften Zelt, das an die Staffage mittelalterlicher Turniere denken lässt, vom Künstler allerdings auch als (überdimensionales) Ballkleid gedeutet wird.

Der Goldfisch als König der Kelche

Selbiges Zelt stellt die augenfälligste Verbindung zu Hieronymus Boschs Garten der Lüste dar, der Bronsons Salzburger Personale den Titel gibt. Gemalt um 1500, zeigt Boschs Triptychon u. a. ein friedliches Miteinander von Tier und Mensch, in dem der Sexualität das Stigmatisierende genommen ist. Diese geradezu queere Utopie – die unter Kunsthistorikern bisweilen für Kontroversen sorgte – greift Bronson zuvorderst auf, wenn er Kulturkreise, Zeiten, Weltanschauungen unprätentiös vermengt. Der Vorschlaghammer gegen den Teufel kann hier in unmittelbarer Nähe der chinesischen Vase hängen, in der zwei Goldfische ihre Runden drehen – unter dem einer Tarotkarte entlehnten ironischen Titel König der Kelche.

Entstanden ist letztere Installation in Zusammenarbeit mit Adrian Hermanides. Entgrenzend ist Bronsons Methode nämlich noch in einer anderen Hinsicht: Die meisten Arbeiten sind Kollaborationen, für manche war er überhaupt nur Kurator. Gareth Long hat etwa zwei Plakate beigesteuert, Chrysanne Stathacos ein üppiges Bodenmandala aus Rosenblättern gelegt.

Mentor und Medium

Dieses stellt eine Verbindung zu Bronsons zeitgleich im Grazer Kunstverein stattfindender Schau Sacre du Printemps dar. Zitiert er in Salzburg einen japanischen Zen-Garten, den man lediglich umrundet, so wird man in Graz mitten in ein "Labyrinth" aus Kunst geschickt, in dem Geist, Sex und Schatten einander durchdringen. Sehenswert ist in Graz auch eine Auswahl von 150 queer-subversiven Zeitschriften, die an die Vergangenheit des Künstlers erinnern.

Berühmt wurde der 1946 in Vancouver als Michael Tims geborene Künstler nämlich zunächst in den späten 1960ern als Teil des hochproduktiven Trios General Idea, das u. a. das zeitkritische Magazin File herausgab. Als seine Partner in den 90ern an Aids starben, wurde der Spiritualismus, der ihm über die Trauer geholfen hatte, zu seinem zentralen Topos. Bronson, der sich zum Einzelgänger völlig unbegabt fühlte, erklärte sich zum Mentor und Medium jüngerer Künstler.

Innige Beziehung zum Popsch

Als Vorsitzender queerer Séancen, deren Teilnehmer Buttplugs mit Hahnenfedern trugen, spezialisierte er sich indes auf eine Massage, die den Anus entspannt. An diese innige Beziehung zum Popsch, sein Postulat "das Arschloch ist die Revolution", erinnern aktuell vor allem die Gemälde im Kabinett des Salzburger Kunstvereins: Für die Serie Plaid führten sich Bronson und Keith Boadwee grelle Farben in den Darm ein, um diesen dann über Leinwänden zu entleeren. Die Bilder sind wirklich hässlich, aber nicht wegen ihrer Machart. (Roman Gerold, 10.11.2015)