Während in Wien die Buchmesse losgeht wie ein hoffnungsvoll gezündeter Feuerwerkskörper, sitz ich in Berlin mit Affenblick im Bikini. Vor einer Schale Ingwertee. Alle Erklärungen dazu später.

Kathrin Röggla hat gerade eine Podiumsdiskussion mit mir ertragen müssen. Es ging um Literatur und Engagement. Engagierte Literatur, genau genommen. Es ging um ein Ja oder ein Nein. Dann ging es sehr schnell um ein Sowohl-als-auch.

Der Begriff klingt irreführend. Es ist ja nicht die Literatur engagiert, sondern die Schreibenden sind es. Und ob dieses Engagement sich in der Qualität des Ergebnisses auswirkt, ist auch nicht immer ersichtlich. Andererseits: Wer kunstvoll nur von Blümchen und Wäldchen schreibt, blendet bewusst oder unbewusst Wirklichkeiten aus, die es wert wären, erzählt zu werden. Was nicht thematisiert wird, wird auch nicht Thema in gesellschaftlichen Diskursen.

Was Zola und Brecht umtrieb, was Toni Morrison und Elfriede Jelinek jetzt umtreibt, ist jenes, dessen Erwähnung und kritische Abhandlung durchaus die Gesellschaft verändern kann: Literatur definiert neue Räume und alte Missstände. Macht sie betretbar, spürbar und nachvollziehbar.

Nicht umsonst fürchten alle Diktaturen freie Künste, bis hin zu Bücherverbrennung und Todesstrafe. Aber jede Diktatur bedient sich der Propaganda, für die sich wiederum entsprechende Kunstschaffende finden lassen. Auch hier rein handwerklich nicht immer von schlechter Qualität. Insofern ist diese Frage nach dem Gehalt künstlerischen Schaffens etwas, das eine durchwachsene Antwort nach sich zieht: Kunst kann, Kunst muss nicht.

Propaganda hingegen muss. Irgendwo zwischen diesen beiden Polen der totalen Zwangslosigkeit und der totalen Unterwerfung mäandern auch die sogenannte "engagierte Kunst" und deren Vertreter: zwischen dem Besetzen eines Themas zum Eigennutz und dem berechtigten Versuch, die Welt besser zu machen – oder zumindest den Diskurs dafür anzufeuern.

Zum Schluss noch die versprochene Lösung des Rätsels: Bikini ist ein Gebäude mit einem schönen Panoramafenster zum Affengehege im Berliner Zoo. (Julya Rabinowich, 13.11.2015)