Es war am Sonntagabend, nur 48 Stunden nach den Attentaten von Paris, als die französische Luftwaffe im Nahen Osten startete, um schwere Bomben auf Stellungen der Terrormiliz "Islamischer Staat" in Syrien abzuwerfen. "Unser Ziel ist es, hart zuzuschlagen", rechtfertigte ein Vertreter des Verteidigungsministeriums in Paris die Order von Oberbefehlshaber François Hollande. "Der Präsident hat uns gebeten, die IS-Maschinerie zu zerstören."

Hollande reagiert also mit solch kriegerischen Worten und Taten auf die mörderischen Anschläge vom Freitagabend in der französischen Hauptstadt. Die ganze Nation ist im Innersten getroffen, das ganze Land steht weiterhin unter Schock, während nach und nach immer mehr Einzelheiten des barbarischen Mordens im Bataclan-Konzertsaal und an anderen Orten bekannt werden. Erstmals gab es auf französischem Boden Selbstmordattentate; so wie es im vergangenen Sommer nahe Lyon erstmals zu einer Enthauptung im Stil des IS gekommen war. Damals hatte ein 35-Jähriger seinen Arbeitgeber ermordet und geköpft.

Man kann die spontane, wütende Reaktion Frankreichs auf die jüngste Terrorserie nur zum Teil verstehen – sie sogar gutzuheißen würde noch schwerer fallen. Die martialische Replik auf die Terroranschläge ist mehr von Emotionen als vom Verstand geleitet. Erinnerungen werden wach an die Reaktion der USA auf den 11. September 2001: die Anschläge auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington. George W. Bushs Ausrufung eines "Krieges gegen den Terror" führte fast unmittelbar zum Militäreinsatz in Afghanistan und eineinhalb Jahre später auch zur Invasion in den Irak.

Im Kleinen handelt Hollande nicht viel anders als Bush. Darin äußert sich auch eine Spur französisches Temperament: In Paris werden politische Entscheidungen oft impulsiver als anderswo getroffen. Aber es macht die Dinge nicht besser – schon gar nicht im Angesicht einer neuen Dimension des Terrorismus, dem nur mit besonders überlegtem Vorgehen zu begegnen ist.

Es stimmt zwar: Die Jihadisten wähnen sich selbst im Krieg und zwingen ihn dem Westen – und damit der ganzen Welt – auf. Doch es ist ein asymmetrischer Kampf, und mit Vergeltungsschlägen tappt Frankreich bloß in die Falle der Terroristen. Viele Militärexperten sind sich einig, dass der IS allein mit Luftschlägen – an denen französische Kampfjets nur fünf Prozent Anteil haben – nicht zu besiegen sein wird. Sinnvoller wäre es zweifellos, das Momentum der weltweiten Solidarität mit "Paris" auszunützen und eine neue Front oder gar eine Koalition gegen den IS zu bilden – zumal Moskau nach den Anschlägen gesprächsbereiter als bisher erscheint.

Hollande hat sich mit seiner Weigerung, mit dem Assad-Regime zu verhandeln, selbst in die Sackgasse manövriert. Innenpolitisch mit dem Rücken zur Wand stehend, versucht er nun – nicht zuletzt wegen der wichtigen Regionalwahlen im Dezember –, sich als souveräner Landesvater, aber auch als entschlossener Feldherr zu profilieren.

Mit Bomben regelt er aber sicher nicht die gescheiterte Integration von Immigrantensöhnen, die für Frankreich ein Potenzial manipulierbarer Möchtegern-Jihadisten bedeuten. Diesem gewaltigen Problem ist mit der Bombardierung von IS-Stellungen im fernen Syrien nicht beizukommen. (Stefan Brändle, 16.11.2015)