Kurz nach der Begrüßung im Segera Retreat, nach der Tour durch den blühenden Garten, vorbei am Swimmingpool mit dem himmelblauen Wasser und dem hochmodern eingerichteten Sportstudio, gibt der Hotelmanager noch Verhaltensmaßregeln aus: "Bitte nicht auf der Landebahn joggen – wegen der Büffel."

Natürlich ist man deswegen auf das kenianische Laikipia-Plateau gekommen, rund 200 Kilometer nördlich von Nairobi. Um die Elefanten grasen, die Grevyzebras galoppieren, die Tüpfelhyänen trinken und die Büffel weiden zu sehen. Aber eine zu große Annäherung muss wirklich nicht sein. Vor den kräftigen Wildrindern mit den wuchtigen Hörnern haben sogar die Einheimischen Respekt, die sich nicht einmal vor Löwen fürchten.

Foto: Segera/David Crookes

Damit die wilden Tiere nicht aus Versehen den üppigen Garten zertrampeln, schützt eine wuchtige Kaktushecke die Anlage mit den acht zweigeschoßigen Villen. Diesen Traum von einem Hotel hat sich Jochen Zeitz, der frühere Vorstandsvorsitzende der Sportartikelmarke Puma, ausgedacht. "Ein Vehikel", nennt der 52-jährige Deutsche die Ranch Segera. Für ihn ist das Ökoluxushotel eine Vision: wie man einen Tourismusbetrieb nachhaltig betreiben und damit andere Menschen zum Umwelt- und Naturschutz begeistern kann.

Foto: Segera/Wilderness Safaris

Auf dem Areal befindet sich auch die Stiftung des Managers, die sich um diverse Projekte in der Gegend kümmert. Zeitz will Umweltschutz und Geschäftswelt zusammenbringen. Das hat er in seinen 20 Jahren beim Sportartikelhersteller forciert, als erster deutscher Konzern legte Puma eine Ökobilanz vor.

STANDARD: Auf Segera steht das Flugzeug aus "Jenseits von Afrika", das Robert Redford geflogen hat. Mögen Sie den Film?

Zeitz: Vor 30 Jahren hat er mir ziemlich gut gefallen, heute finde ich ihn kitschig. Ich wollte sowieso einen Doppeldecker fliegen, dieses offene Gefühl, in der Natur zu sein und die Welt von oben zu sehen. Vor zwei Jahren sah ich, dass das Flugzeug auf einer Auktion in Paris versteigert wurde, und habe es gekauft. Es ist so eine ikonische Maschine, sie passt genau nach Segera, 40 Minuten Autofahrt von hier entfernt wurden ein paar Szenen gedreht.

STANDARD: Berechnen Sie Ihren ökologischen Fußabdruck?

Zeitz: Ja, das mache ich am Ende des Jahres. Ich fliege zwar viel in der Welt umher, aber meist ist der Grund dafür, Menschen mit nachhaltigen Ideen vertraut zu machen. Deshalb glaube ich, dass ich einen positiven Fußabdruck habe, allein weil ich auf meiner Ranch Segera in Kenia 200 Quadratkilometer Land nachhaltig bewirtschafte. Wir setzen Solarpanels zur Energiegewinnung ein, sammeln 800.000 Liter Wasser in der Regenzeit mit unseren Auffangbecken, bauen unser eigenes Essen an, haben Plastikflaschen abgeschafft und waschen die Glasflaschen immer wieder aus.

Die Chance in Wien von einem Auto angefahren zu werden, sei größer, als in Segera von einem Löwen angegriffen zu werden, meint Jochen Zeitz.
Foto: Segera/David Crookes

STANDARD: In Segera haben Sie ein Ökoluxusresort mit acht Villen eingerichtet, gleich neben Ihrem Wohnhaus.

Zeitz: Meine Philosophie lautet, dass die Gäste bei ihrem Aufenthalt etwas über den Umweltschutz vor Ort lernen, in die Communitys gehen, nicht nur auf Safari. Wir ziehen keinen Zaun um die Villen und sagen: Bloß nicht rausgehen! Fast alle Gäste bringen Interesse mit.

STANDARD: Fast alle?

Zeitz: Kürzlich hatten wir einen Milliardär in Segera. Er hatte überhaupt kein Interesse daran, was wir hier machen. Er wollte Swimmingpool und Safari, einfach nur abschalten.

STANDARD: Vermögende Menschen treffen auf arme Einheimische. Der Einkommensunterschied ist brutal.

Zeitz: Das eine geht nicht ohne das andere. Ich kann keinen beschäftigen, wenn ich keine Gäste habe. Das verstehen auch unsere Angestellten. Die Gäste zahlen viel Geld, damit sichern wir ein Einkommen für die Menschen, die hier arbeiten. Ich will aber auch nicht, dass sich Einheimische fragen: Was habe ich davon, wenn Fremde sich Elefanten ansehen wollen, die vielleicht meine Felder zerstören?

STANDARD: Wie räumen Sie solche Bedenken aus?

Zeitz: Zu einem Dorf im Süden der Ranch mussten wir leider einen Zaun bauen, damit die Tiere nicht auf die Felder trampeln.

Foto: Segera/David Crookes

STANDARD: Die Schriftstellerin Karen Blixen hat einmal gesagt: "Sie wissen, dass Sie wirklich lebendig sind, wenn Sie unter Löwen leben."

Zeitz: Es gibt nichts Schöneres als den Anblick von wilden Tieren in der Natur, wenn ich spazieren gehe oder auf meiner Terrasse sitze. Mich begeistert ein Zebra oder eine Giraffe genauso wie ein Löwe.

STANDARD: Haben Sie Angst vor Löwen?

Zeitz: Ich habe Respekt vor der Tierwelt. Wenn ich spazieren gehe, kommt einer unserer Ranger mit. Für alle Fälle führt er ein Gewehr mit.

STANDARD: Schon mal benutzt?

Zeitz: Nein. Die Chance, in Berlin oder Wien von einem Auto angefahren zu werden, ist mit Sicherheit viel größer, als in Segera von einem Löwen angegriffen zu werden.

STANDARD: Stimmt es, dass Sie dank Formel-1-Manager Flavio Briatore vor elf Jahren auf dieses Stück Land aufmerksam wurden?

Zeitz: Er ist ein Strandmensch, für den ist das der Wilde Westen hier. Er hat ein Haus an der Küste und hat mir gesagt: Ich kenne ein paar Leute, warum kommst du nicht nach Kenia? Er hat mich einem Freund vorgestellt, der hatte wiederum Kontakte, und so bin ich an den früheren Besitzer gekommen.

Foto: Segera/Caroline Culbert

STANDARD: Wie sah die Ranch damals aus?

Zeitz: Der Vorbesitzer hat zehn Jahre lang gar nichts getan. Das Land war völlig verwahrlost und überweidet. Die Pferdeställe hatten keinen Boden mehr, das Dach war leck. Genauso wie das Haus, in dem ich jetzt wohne. Außer einem Generator von 1918 gab es gar keine Infrastruktur.

STANDARD: Wieso haben Sie es dann überhaupt gekauft?

Zeitz: Weil es Potenzial hatte. Ich habe Elefanten gesehen, als ich das erste Mal über das Gelände geflogen bin, habe diesen gigantischen Ausblick auf den Mount Kenya genossen, den Wasserfall im Osten der Ranch entdeckt. Das war ein Grundstück, auf dem ich etwas aufbauen konnte.

STANDARD: Sie engagieren sich für die Umwelt, stiften Ihre Sammlung afrikanischer Kunst dem Mocaa-Museum in Kapstadt, das Ende 2016 eröffnet wird. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vermutet, "um dem Namen Jochen Zeitz ein Denkmal zu setzen".

Zeitz: Ich halte nichts von Denkmälern. Die Projekte, die wir einleiten, sollen eines Tages mal selbstständig laufen. Ich sehe meine Stiftung und Projekte als Anschubfinanzierung.

STANDARD: Spielt das schlechte Gewissen eines weißen Mitteleuropäers eine Rolle?

Zeitz: Überhaupt nicht, warum sollte ich eines haben? Ich bin begeistert vom Land und vom afrikanischen Kontinent.

STANDARD: Sie haben 200 Angestellte auf der Ranch. Sie müssen sich wie ein Kolonialherr fühlen.

Zeitz: Diese Frage habe ich mir nie gestellt. Als ich Puma geleitet habe, waren 95 Prozent aller Mitarbeiter nichtdeutsch.

Foto: Segera/David Crookes&Wilderness

STANDARD: Hier in Kenia stoßen Sie auf eine andere Geschichte.

Zeitz: Ja, ich bin hier nicht groß geworden, habe nur eine ständige Aufenthaltserlaubnis. Aber ich will mich heimisch fühlen, nicht der Freak sein, der in Afrika eine Ranch hat. Das ist eine Plattform, um anderen meine Afrikaerlebnisse zugänglich zu machen. Die Gedanken, die Sie mir unterstellen, habe ich nie gehabt.

STANDARD: 1989 sind Sie zum ersten Mal nach Kenia gereist.

Zeitz: Tagsüber habe ich im Tsavo-Nationalpark Tiere beobachtet, abends sah ich im Fernsehen, wie die Menschen in Berlin auf der Mauer tanzten. Da wäre ich schon gern dabei gewesen, aber mich hat schnell der Afrikavirus gepackt. Diese traumhafte Natur, die Art und Weise, mit der mir die Kenianer begegnet sind. Freundlich, kein Griesgram, immer mit einem Lachen, in jeder Situation.

STANDARD: Und dann wollten Sie unbedingt ein Haus in Afrika.

Zeitz: Ich habe überall gesucht, Südafrika, Botswana, Namibia. Für mich war klar, dass ich ein Stück Land in einem politisch stabilen Land wollte, es sollte mit dem Flugzeug erreichbar sein, in keinem Malariagebiet liegen, die Temperatur sollte angenehm sein, und es sollte eine vielfältige Tierwelt geben.

Foto: Segera/David Crookes

STANDARD: Hat sich mit der Ranch ein Kindheitstraum erfüllt?

Zeitz: Bernhard Grzimek gehörte zu meiner Jugend. Seine Reportagen aus der Serengeti haben mich fasziniert. Ich habe Daktari im Nachmittagsprogramm geschaut. Als ich ein Kind war, haben wir das Wochenende oft in einer Hütte im Odenwald verbracht. Ständig in der Natur zu sein, das hat mich geprägt. Ich schaue auf Segera nie fern, außer als Deutschland bei der Fußball-WM gespielt hat.

STANDARD: Und kein Internet?

Zeitz: Doch, das brauche ich, um meine Arbeit zu erledigen. Und um Nachrichten zu lesen – auf Spiegel Online, BBC, CNN.

STANDARD: Checken Sie jeden Tag die Puma-Aktie?

Zeitz: Oh Gott, nein.

STANDARD: Der ehemalige deutsche Bundespräsident und Afrika-Fan Horst Köhler hat über den Kontinent gesagt: "Noch nie habe ich so viel Würde in der Not gesehen."

Zeitz: Ich weiß nicht, auf welche Situation er das bezogen hat. Die Landbevölkerung in Segera führt ein traditionelles Leben, das heißt aber nicht, dass sie notleidend ist. Die Menschen leben in einer Hütte, passen auf ihre Rinder auf, führen sie auf Weiden und leben von Milch, Fleisch und ein bisschen Handel. Das ist ein Lebensstil, der in abgelegenen Gebieten noch existiert. Die Menschen in Europa leben von der Information, die ihnen geliefert wird. Eine negative Schlagzeile aus einem Land wird schnell zu einer schlechten Nachricht über einen ganzen Kontinent.

STANDARD: Sie denken an Ebola?

Zeitz: Völlig verrückt war das. Die Chance, Ebola in New York zu kriegen, war größer als in Ostafrika, denn in Manhattan gab es einen Ansteckungsfall, in Kenia nicht einen einzigen.

Foto: Segera/Michael Poliza

STANDARD: Hat Sie Ebola direkt betroffen?

Zeitz: Absolut. Das war für alle in Kenia ein großes Problem. Die Buchungen laufen im Sechsmonatsrhythmus vor, das heißt, es hat kaum einer für den Sommer gebucht. Warum nicht mal positive Berichte? Dass die Finanzkrise an Afrika völlig vorbeigegangen ist, weil die afrikanischen Banken in die Produkte, die Probleme verursacht haben, nicht investiert haben. Die Wirtschaft ist im Gegensatz zu einigen europäischen Staaten in vielen Ländern deutlich gewachsen.

STANDARD: Verfolgen Sie die Flüchtlingsdebatte?

Zeitz: Es ist ein Trauerspiel. Und ein Problem, dem wir uns auch langfristig stellen müssen. Jetzt haben wir die Menschen aus Syrien oder Irak, die vor grausamen Systemen fliehen. In Zukunft werden wir mehr Klimaflüchtlinge als politische haben. Das Wetter wird in einigen Landstrichen unerträglich werden und zu einer enormen Migration führen.

STANDARD: Sie sagten einmal: "Ökologie interessiert mich nicht nur aus humanitären, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen."

Zeitz: Weil man ohne die Wirtschaft Probleme, die wir auf dem Planeten hinterlassen, nicht lösen kann. Die größten Umweltschäden werden durch nichtnachhaltige Produktion von Gütern verursacht. Durch Innovation und verantwortungsvolles Wirtschaften können wir aber Unternehmen in die richtige Richtung lenken – vorausgesetzt, die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen ändern sich. (Interview: Ulf Lippitz, RONDO, XX.11.2015)