Vor seiner Wiederwahl im September versprach der griechische Premier Alexis Tsipras seinen Wählern zwei Dinge: Er werde die Vereinbarungen mit den Kreditgebern einhalten und dennoch mehr für soziale Gerechtigkeit sorgen als seine konservativen Gegner.

Tsipras scheint sein Wort zu halten. In mühsamen Verhandlungen ist es seiner Regierung gelungen, die Delogierung von mittellosen Wohnungsbesitzern, die ihre Kredite nicht bedienen können, weitgehend zu verhindern. Dennoch hat Syriza genügend Reformwillen gezeigt, dass die erste Kreditrate des im Sommer vereinbarten riesigen dritten Hilfspakets ausgezahlt werden kann.

Der Jubel an den Finanzmärkten, wo griechische Anleihen- und Aktienkurse stark zulegten, hat noch einen anderen Grund: Ist der Deal einmal unterschrieben, darf die Europäische Zentralbank griechische Papiere kaufen und die ohnehin schon gesunkenen Zinsen weiter drücken.

Tsipras hat auch Glück mit dem Zustand der griechischen Wirtschaft: Diese ist durch die wochenlangen Bankenschließungen viel weniger stark beschädigt worden als befürchtet. Der erwartete Einbruch scheint auszubleiben.

Wenn es dem Premier nun gelingt, echte Strukturreformen gegen viele Widerstände durchzusetzen, steigen auch die Chancen auf einen Schuldennachlass durch die Geldgeber. Nach dem Fiasko der ersten Amtszeit hat Tsipras eine zweite Chance erhalten. Er muss sie nun nützen. (Eric Frey, 17.11.2015)