Professionelle Sprayer sind nur selten am Werk, vieles sei Produkt von "Blödeleien", schätzt der Experte.

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Im Studentenheim Linked Living gestalteten drei Street-Art-Künstler 250 Quadratmeter Wandfläche.

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Meist sind sie zwar nicht größer als ein bis zwei Quadratmeter – die Aufregung um Schmierereien an der Hauswand ist dennoch enorm. Bei einem gerade fertiggestellten Wohnprojekt der Neuen Heimat / Gewog in der Nähe des Westbahnhofs wurde 2012 über Nacht die Fassade beschmiert. Um das künftig zu verhindern, wurde diese nach der Reinigung mit einer Imprägnierung versehen, von der Graffiti rückstandslos entfernt werden können.

Bei diesem "einmaligen Experiment" sei es letztendlich dann aber geblieben, berichtet heute, drei Jahre später, Andreas Dominko von der Neuen Heimat / Gewog. Denn diese Spezialfarbe hätte das "Drei- bis Fünffache" von normaler Farbe gekostet: "Und das rechnet sich letztendlich nicht." Viele Probleme in diese Richtung hätte das Unternehmen ohnehin nicht, so Dominko: "Aber es gibt natürlich Bezirke, wo das vorkommt."

Andere haben damit weitaus öfter zu kämpfen: "Oft ist es besser, man lässt die Schmierereien und entfernt sie nicht", sagt etwa eine Studentenheim-Betreiberin, die anonym bleiben möchte – aus Angst, weitere Sprayer anzulocken. Das bestätigt auch Martin Troger von der Gebäudeverwaltung der Rustler-Gruppe. Wenn der Schaden nicht zu groß ist, dann sei man mitunter "nicht so schnell" mit der Entfernung: "Denn nichts ist so verlockend wie eine frisch gestrichene weiße Wand." Im Gegensatz dazu würde eine bereits in Mitleidenschaft gezogene Wand von anderen Sprayern eher gemieden. Die Studentenheim-Betreiberin hat sich bei einem Bestandsobjekt, das schon besprayt worden war, überhaupt gegen eine Entfernung entschieden: "Das gehört zur Geschichte des Hauses."

Teure Entfernung

Von Rustler verwaltete Gebäude würden allgemein relativ oft beschmiert, sagt Troger. Wie damit umgegangen wird, hänge auch stark vom Eigentümer ab. Meist seien keine "professionellen Sprayer" am Werk, vielmehr handle es sich um "Blödeleien mit großen Auswirkungen". Denn eine Entfernung kostet viel Geld: "Mit einigen Hundert Euro muss man mindestens rechnen."

Will man Graffiti professionell entfernen lassen, dann rücken Experten wie Margit Leidinger an. Mit ihrem Unternehmen Finalit hat sie sich auf die Reinigung von Steinflächen und Fliesen spezialisiert: "Grundsätzlich kann alles entfernt werden", sagt sie. Wenn sogenannte "Bluterfarben" zum Einsatz kamen, würde sich die Arbeit aber weitaus zeitintensiver gestalten, weil diese tief in die Fassade eindringen: Dafür werde – wenn nötig mehrmals – chemischer Graffitientferner aufgetragen, der über längere Zeit einwirkt, erklärt die Expertin. Seien dann noch Reste von Farbpigmenten im Untergrund, würden diese Bereiche gebleicht, berichtet Leidinger, die mit ihrem Unternehmen heuer bereits im Petersdom in Rom und in Mekka tätig war.

Schutz vor Umwelteinflüssen

"Sprayer scheinen sich immer auf einige Häuser im Grätzel zu fokussieren", sagt Leidinger. Immer öfter würden Hauseigentümer ihre Fassaden aber – so wie eingangs erwähnt – imprägnieren lassen: "Das Bewusstsein dafür wird größer", sagt Leidinger. Denn der Kunde erwarte sich mittlerweile, dass der Stein auf Dauer so bleibt wie am Anfang. "Dafür muss man aber etwas tun."

Auch bei von Rustler verwalteten Häusern kommen – je nach Eigentümer und Lage des Hauses – Imprägnierungen zum Einsatz. Dank einer Imprägnierung sind Graffiti leicht abwaschbar, weil sie nicht mehr in die Mauer eindringen können, bestätigt Leidinger. Eine Imprägnierung funktioniere "wie eine Goretex-Jacke", wichtig sei, dass der Stein darunter atmen kann. Die Imprägnierung schütze zudem nicht nur vor Graffiti, sondern auch vor anderen Umwelteinflüssen. Die häufigsten Faktoren neben Graffiti sind Hundeurin und Enteisungssalz.

Künstlerische Gestaltung

Viele der Schmierereien, über die sich Hausverwalter und -eigentümer ärgern, sind "Tags", also die nicht schön anzusehenden und vor allem illegal angebrachten Kürzel von Sprayern (siehe Bild). Richtige Kunstwerke entstehen aber immer öfter auf Wunsch der Eigentümer auf den Fassaden: Im Frühjahr etwa verschönerte der Tiroler Urban-Art-Künstler Golif die Wand einer leerstehenden Lagerhalle an der Wienzeile mit seinem Großkunstwerk Stop Motion auf 60 x 12 Metern. Er wollte damit Autofahrer zu friedlicherem Verhalten hinterm Steuer anstiften.

Im Oktober wurde das Projekt "Linked Living meets Streetart" im neu eröffneten Wiener Studentenheim Linked Living im zweiten Bezirk fertiggestellt: Die Künstler Fabian Dankl, Leo-Constantin Scheichenost (beide vom Künstlerkollektiv Luftfabrik) und der als emilone bekannte Emanuel Jesse gestalteten Wände im Eingangsbereich, in der Learning Lounge, in den Stiegenhäusern und in den Außenbereichen – insgesamt fast 250 Quadratmeter Wandfläche. "Das Design steht für uns stilmäßig unter dem Motto der Vernetzung", heißt es vonseiten des Eigentümers, der Corestate Capital Group, dazu. Ziel sei gewesen, die Themen Wohnen und Kunst zu vereinen. In den Lernbereichen wolle man damit die jungen Menschen zum Studieren motivieren und ein Netzwerken anregen. (Franziska Zoidl, 22.11.2015)