"Oldify[TM] Laiwa and Oldify Sarah" (2013): Das Duo Ubermorgen wandte eine Gesichtsalterungs-Foto-App auf Barbiepuppen an.


Foto: Krinzinger Projekte

Haben Sie in letzter Zeit eine Twitter-Nachricht veröffentlicht, die mit "I want" begann? Falls ja, dann könnte es sein, dass Ihr Begehr auch in der Galerie Krinzinger Projekte gelandet ist, und zwar in Form digitaler Leuchtlettern, eingebettet zwischen Botschaften wie "Ich will russische Kuchen", "Ich will dir ein Lied schreiben, One Direction" oder "Ich will Biafra" (sic!). I want to be your idea of perfect (2014) nennt sich eine Installation von Jean-Baptiste Michel, die alle paar Sekunden eine neue Wollensbekundung aus dem sozialen Netzwerk Twitter präsentiert.

In aller denkbaren Nüchternheit und Stille spinnt sich auf diese Weise eine Litanei weltweiten Wollens fort, die unterhaltsam ist, hinter der sich allerdings auch die Tiefen des digitalen Zeitalters auftun. Denn: Was ist mit all dem Wollen, das sich nicht gerade Twitter und der Formel "I want" bedient? Und wird im sozialen Netz nicht viel mehr gewollt, als im Paar-Sekunden-Takt wiedergegeben werden kann? Nur eine gedankliche Ecke weiter wartet schon der Einsteigerkurs für Verschwörungstheoretiker: Wie werden die Tweets aussortiert? Zufall? Rankings? Und wer beweist, dass I want ... nicht bloß ein gefälliges Fixrepertoire von Sätzen abspult? Und wäre das nun verwerflich oder eh wurscht, weil Kunst?

Spaßig, aber undurchschaubar

Als spaßiger, aber in seiner genauen Funktionsweise rätselhafter Nachrichten-Aneinanderstoppler ist I want ... dann durchaus wiederum Facebook verwandt. Insofern passt die Installation gut in eine Ausstellung namens Mankind/Machinekind – und erscheint jedenfalls weniger verklärend als etwa das Objekt I AM I (2013) von LigoranoReese, das per buntschimmernde Glasfaserkabel Emotionen visualisiert.

Das Verhältnis des Menschen zu seinem wachsenden Datenhaufen ist allerdings nur ein Seitenthema von Mankind/Machinekind. Als vierter Teil der Reihe CCC (Collectors Curators Collaborations) will die Schau nicht zuletzt zeigen, wie man auch digitale Kunst sammeln kann – trotz Problemen wie obsoleter Hardware oder veralteten Dateiformaten. Dieses nur bedingt betroffen machende Ansinnen vergisst man im kurzweiligen Panorama digitaler Kunst dann aber auch schnell wieder. Die Sammlersorgen fallen einem erst wieder ein, wenn man etwa vor der schönen, ewiges Umfallen simulierenden Installation fallingfalling (2011) von Rafaël Rozendaal steht: Weil die dort gezeigte Animation online frei zugänglich ist, stellt sich die Frage, wer sie besitzt. Auf ein spannendes Feld verweist auch Geo Goo (2013): Das Künstlerduo JoDi erinnert mit einem Google-Maps-Hack daran, das Kunst heute bisweilen auch von Cybersicherheitsmaßnahmen bedroht ist.

Dazwischen gibt man sich computergeneriertem Surrealismus von Ian Cheng hin oder schmunzelt über Evan Roths monumentalen Print eines verwischten Fingerabdrucks, der eine am Smartphone benutzte Wischgeste ironisiert (Slide To Unlock, Evan Roth, 2013): ein analoger Kommentar zur Digitalität, dem man wenig Brisanz, aber – als Wandbild – optimale Sammelbarkeit attestieren wird. (Roman Gerold, Album, 21.11.2015)