Man findet im Sanatorium reichlich Zeit, über Gott und die Welt zu reden: der Komponist Ballinger (Michael Caine, li.) und der Regisseur Boyle (Harvey Keitel) beim Kiebitzen und Denken.


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Wien – Adolf Hitler hat schlechte Haut. Das fällt besonders deswegen auf, weil er in einem noblen Restaurant an einem Tisch mit blitzblank gescheuertem Geschirr sitzt, umgeben von Menschen in weißen Bademänteln, die ihn anstarren. Der Führer macht insgesamt keinen guten Eindruck. Der Bart wie angeklebt, die Haare ein schwarzer Klumpen. Er sieht aus, als wäre er Teil einer Schmierenkomödie. Und da ist auch etwas Wahres dran, wenn man sich diese Szene aus Paolo Sorrentinos Ewige Jugend im größeren Zusammenhang eines merkwürdigen Films vergegenwärtigt.

Es ist natürlich nicht Adolf Hitler, der sich in einem Sanatorium in der Schweiz unvermutet unter die Gäste mischt, sondern ein kalifornischer Schauspieler, der sich hier, in der Abgeschiedenheit der Berge, umgeben von anderen reichen und schrägen Gestalten, auf seine nächste Aufgabe vorbereitet. Der Gag mit Adolf Hitler scheint da so etwas wie der Versuch einer Lockerung zu sein, ein Experiment, um ein Ventil zu schaffen in einer angespannten Stimmung. Oder vielleicht einer überspannten?

Der wichtigste Gast im Grand Hotel heißt Fred Ballinger (Michael Caine), ein alter Komponist, der bei bester Gesundheit ist, was man hier mit allen erdenklichen Untersuchungen herausfindet und dann mit den raffiniertesten Massagen konserviert. In seiner Gesellschaft ist seine Tochter Lena (Rachel Weisz), die zugleich seine Sekretärin ist. Gleich zu Beginn des Films kommt ein Emissär aus England.

Eine Aufgabe ist es, Ballinger zu einer Darbietung seines legendären Werks Simple Songs für die Queen zu bewegen. Doch der sagt ab. Seine Gründe: persönliche. Lieber dirigiert er bei einem Spaziergang über die grünen Wiesen eine verstreute Herde Kühe. Von dieser surrealen Art sind die Einlagen, mit denen Sorrentino seinen Film über die ewige Jugend vor dem Versinken in den schweren Möbeln und der trägen Stimmung zu bewahren versucht. In einem Sanatorium ist ja nicht viel los, das weiß man zum Beispiel aus Thomas Manns Zauberberg, an den man hier unwillkürlich denkt.

Eine Kur aus Herumsitzen und Herumreden verlangt nach Ablenkung, sie kommt in Form einer allgegenwärtigen Erotisierung des Geschehens. Junge Mädchen mit undurchdringlichem Blick ziehen immer wieder die Blicke der Männer auf sich, und als würde das nicht genügen, wird auch noch eine Miss Universe angekündigt. Sie kommt tatsächlich, bekennt freimütig, dass sie lieber Schauspielerin wäre, und steigt dann nackt in einen Pool, in dem Fred Ballinger mit dem anderen alten Granden dieser Geschichte sitzt, mit dem Filmemacher Mick Boyle (Harvey Keitel).

Wäre man polemisch, könnte man sagen, in Ewige Jugend gehe es darum, ob aus alten Säcken noch einmal ein großes Werk herauszukriegen wäre. Bei Boyle gibt es da genügend Gründe zur Skepsis, vielleicht ist aber auch einfach nur seine Entourage zu groß. Ballinger muss nicht mehr liefern, er hat ja schon was geschaffen, vor langer Zeit, damals, als er mit Strawinsky abhing. Mit diesen Simple Songs hat Ewige Jugend aber ein Problem: Denn wenn man ein geheimnisumwittertes Opus schließ-lich aus der Kulisse zaubert, kann es schrecklich kitschig klingen. Da ist eine Levitationsszene zur großartig pathetischen Musik der Band Godspeed You Black Emperor! schon angemessener.

Blicke durchs Fernglas

Paolo Sorrentino hat sich im internationalen Kino mit der Politfantasie Il Divo und mit einer Ode an das Leben in Rom, La Grande Bellezza, einen Namen gemacht. Ihm ist an einer Verzauberung der Welt gelegen, der er dann hinterhältig die Grundlagen entzieht.

So sind seine Filme immer irgendwie virtuos (nicht zuletzt hat er ein sehr gutes Ohr für passende Songs), aber in Ewige Jugend wirken die Ideen manchmal gesucht, und der generelle Eindruck ist nicht so sehr der einer gut durchgelüfteten Altersweisheit, sondern einer zum Abschuss durch den sarkastischen Filmemacher freigegebenen allgemeinen Eitelkeit und Torheit.

Das wirkt auf das Kunstwerk zurück, das sich den Charakter eines sich ständig ankündigenden Meisterwerks, wie Mick Boyle es verspricht, zu eigen macht. Am Ende ist Sorrentino an einem Punkt, an dem man nicht so weiß, ob man richtig ins Fernglas hineinschauen soll oder von der falschen Seite. Auf die eine Weise, so lernen wir, schauen wir in die Zukunft, auf die andere in die Vergangenheit. Nur die Gegenwart, die wirkt draufgeklebt bei all der Grandiosität von Ewige Jugend. (Bert Rebhandl, 24.11.2015)