Wien – Auf den ersten Blick gibt es bei den Invaliditätspensionen (I-Pensionen) in Österreich nur positive Nachrichten. Im ersten Halbjahr 2015 gab es mit 7.738 Neuzuerkennungen um ein Drittel weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Zurückzuführen ist diese Entwicklung vor allem auf neue gesetzliche Bestimmungen, die seit dem 1. Jänner 2014 gelten.

Menschen, die zu diesem Stichtag jünger als 50 waren und vorübergehend berufsunfähig werden, bekommen seither keine I-Pension mehr, sondern ein sogenanntes Rehabilitationsgeld. Der Hintergedanke war und ist: Die Betroffenen sollen medizinisch behandelt und/oder umgeschult werden, damit sie dann wieder einen Job finden, den sie auch ausüben können.

Große Unterschiede

Dem STANDARD liegt nun eine erste Zwischenbilanz auf Basis von Daten des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger vor. Dabei zeigt sich: Mit Stand August 2015 gab es immerhin 17.572 Bezieher von Rehabilitationsgeld. Regional gibt es große Unterschiede: Mit Abstand die meisten Bezieher kommen aus der Steiermark, dem nach Einwohnerzahl nur viertgrößten Bundesland.

Spannend ist nun natürlich die Frage, wie viele der vorübergehend Berufsunfähigen nun tatsächlich eine neue Ausbildung absolviert haben. Hier fällt die Bilanz nach 20 Monaten mehr als ernüchternd aus. Nicht einmal 90 der 17.572 Personen haben eine Umschulung beim AMS begonnen (wie viele schon einen neuen Job haben, ist nicht bekannt).

Abwarten

Ebenso ernüchternd sind die Detailanalysen, die vorerst nur für das Gesamtjahr 2014 vorliegen. Im ersten Jahr der neuen Bestimmungen gab es demnach rund 12.500 Rehabilitationsgeldbezieher. In nur 734 Fällen kam die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) aber in ihren ersten Bescheiden zu dem Schluss, dass eine "konkrete medizinische Rehabilitationsmaßnahme" als "zweckmäßig erachtet" wird. Berufliche Maßnahmen wurden überhaupt nur in 258 Fällen für "zweckmäßig und zumutbar" befunden. Von diesen 258 haben wiederum im Vorjahr nur 46 tatsächlich eine Umschulung begonnen.

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Häufig plädiert die PVA in ihren Bescheiden dafür, den "Krankheitsverlauf abzuwarten".
Foto: reuters/DENIS BALIBOUSE

Beim großen Rest plädiert die PVA dafür, erst einmal abzuwarten. Konkret entschied man im Vorjahr in 7.044 Fällen, "den Krankheitsverlauf abzuwarten", in 4.501 Fällen den "weiteren Therapieverlauf abzuwarten".

Das heißt aber keineswegs, dass mit diesen Menschen gar nichts passiere, betont man im Sozialministerium auf Anfrage. Im Zuge der weiteren Betreuung – in der Regel durch das Berufliche Bildungs- und Rehabilitationszentrum (BBRZ) – werde häufig erst später entschieden, ob eine stationäre oder ambulante Behandlung nötig sei. Außerdem würden viele Behandlungen bis zu drei Jahre dauern, weshalb es noch zu früh sei für eine umfassende Bewertung. Verwiesen wird vor allem auf psychische Erkrankungen, die 70 Prozent aller Fälle ausmachen.

Verbesserungsbedarf

Allerdings räumt man auch im Büro von Minister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) ein, dass es vor allem bei der beruflichen Umschulung noch "Verbesserungsbedarf" gebe. Man werde daher in den nächsten zwei bis drei Monaten konkrete Vorschläge vorlegen. Zur Erinnerung: Für den 29. Februar hat die Regierung bereits einen Pensionsgipfel angesetzt, bei dem weitere Reformmaßnahmen diskutiert werden sollen.

Ansetzen könnte man etwa bei der Zielgruppe für Umschulungen. Derzeit kommen nämlich nur jene infrage, die in den vergangenen 15 Jahren zumindest 7,5 Jahre in einem gelernten Beruf (Berufsschutz) oder als Angestellte tätig waren. Somit fallen schon mal zwei Drittel um Schulungsangebote um. Dabei geht es oft um Hilfsarbeiter, von denen es bei den Anträgen auf I-Pension viele gibt.

Viele Altfälle

Im Sozialministerium betont man auch, dass im ersten Jahr rund 9.000 Bezieher von Rehabilitationsgeld sogenannte Altfälle seien, also Menschen, die schon zuvor eine befristete I-Pension hatten. Man gehe davon aus, dass die berufliche Integration bei Neufällen leichter werde.

Bei der Leistungshöhe gibt es übrigens keinen großen Unterschied zwischen Rehabilitationsgeld und I-Pension. Ersteres orientiert sich am Krankengeld und am letzten Einkommen, darf aber nicht niedriger als die Mindestpension sein (aktuell 872,31 Euro). Das staatliche Pensionsbudget wird dadurch ebenfalls nicht entlastet: Zwar wird das Rehabgeld über die Krankenkassen abgewickelt, sie holen sich das Geld aber von der PVA zurück. (Günther Oswald, 25.11.2015)