Eines Tages, es muss um die Jahrtausendwende gewesen sein, stand plötzlich eine Delegation kroatischer Journalisten im Vorstandsbüro der Styria in Graz. "Wollt ihr nicht einsteigen?", hätten sie gefragt. Ihre Zeitung, die traditionsreiche, 1959 gegründete "Večernji List", das "Abendblatt", solle an die deutsche WAZ, die heutige Funke-Mediengruppe, verkauft werden, die über die Europapress Holding (EPH) bereits am "Jutarnji List", dem "Morgenblatt", beteiligt war. Das habe den Journalisten nicht gefallen, erzählt Klaus Schweighofer, der gemeinsam mit Markus Mair im Vorstand der Styria sitzt, in der Sky-Lobby der brandneuen Konzernzentrale mit prachtvoller Aussicht über ganz Graz.

Strategisch sei ein Einstieg in die Balkanmärkte damals nicht geplant gewesen, erinnert sich der Medienmanager. Alternativ sei eine Expansion nach Wien mit einer eigenen Gratiszeitung zur Diskussion gestanden. Doch noch im selben Jahr fiel die Entscheidung für den Balkan, und der Medienkonzern, heute der drittgrößte Österreichs, übernahm das Blatt samt einer lukrativen Zehn-Prozent-Beteiligung am Mobilfunker Vipnet, der heute zu 100 Prozent der Telekom Austria gehört. Und schon im Jänner 2002 verkündete der damalige Styria-Chef Horst Pirker: "Unser Interesse gilt prinzipiell allen Medien in Kroatien und Slowenien."

Die "Könige aus Graz"

"Wir sind in einen sehr schwierigen Markt gegangen", erinnert sich Schweighofer, der im Konzern praktisch von Beginn an für die Expansion verantwortlich war. Zum einen sei man in Kroatien "weniger gut vorbereitet als ein Tourist" angekommen. Denn der habe wenigstens einen Reiseführer. Außerdem sei der "Večernji List" technologisch "weit hinten" gewesen, die Redakteure hätten auf "Museums-PCs" gearbeitet. Schweighofer lässt den Blick des Öfteren aus den großen Fenstern schweifen, während er von den Herausforderungen erzählt, die es anfangs zu bewältigen gab. "Wir dachten, wir sind die Könige aus Graz und zeigen den Kroaten jetzt, wie Journalismus funktioniert", erzählt der Vorstand, der früher selbst Journalist und Chefredakteur der Gratiszeitung "Der Grazer" war. Die weit größere Herausforderung sei gewesen, "dass das journalistische Verständnis vom Kommunismus und Sozialismus geprägt war", sagt Schweighofer. "Wir haben viele Journalisten ausgetauscht."

Die Styria-Vorstadt in Zagreb

Und die Styria gründete neue Medien. Erst vor dem Hintergrund eines erbitterten Wettbewerbs mit der WAZ, später angesichts der Wirtschaftskrise. 2005 sei ein "Schlüsseljahr" für die Styria gewesen, da gründete der Konzern die umstrittene Boulevardzeitung "24sata", heute die mit Abstand meistgelesene Zeitung des Landes. "'24sata' hat den Zeitungsmarkt in Kroatien verändert", sagt Mario Vrgoć nicht ohne Stolz. In einem Konferenzraum an der südlichen Peripherie Zagrebs präsentiert der Geschäftsführer der Styria Kroatien und von "Večernji List" die Entwicklung der vergangenen Jahre als Erfolgsgeschichte. Hier, 20 Minuten außerhalb des Stadtzentrums, ist in den vergangenen drei Jahren so etwas wie eine kleine Styria-Vorstadt entstanden, nüchtern-moderne Bürotürme aus Glas und Beton, in denen alle kroatischen Medien des Konzerns produziert werden. Etwa der "Poslovni dnevnik" für die kroatische Business-Community, den die Styria 2008 kaufte, außerdem rund 30 Magazine und eine ganze Reihe von Onlineportalen wie der Marktplatz "Njuškalo". Das kroatische Pendant zu willhaben.at, das die Styria in Österreich gemeinsam mit dem norwegischen Schibsted-Konzern betreibt.

Nicht nur in Kroatien, auch in Slowenien und Montenegro hat sich die Styria an lokalen Medien beteiligt; in Montenegro mit 25 Prozent an der regierungskritischen Zeitung "Vijesti". "Das tun wir aus ideologischen Gründen, nicht weil es ein profitables Geschäft wäre", sagt Schweighofer. Der Versuch der Styria, sich auch auf dem slowenischen Zeitungsmarkt zu etablieren, schlug indes fehl. Die 2003 beziehungsweise 2007 neugegründeten Gratiszeitungen "Zurnal" und "Zurnal24" wurden vergangenes Jahr aus Kostengründen eingestellt.

"Večernji List", das kroatische "Abendblatt", ist das Flaggschiff der Styria in Kroatien.
Foto: boris böttger

Rätsel um Rätselheft

In Kroatien hingegen ist die Styria inzwischen– vor allem nach dem Rückzug der Funke-Gruppe aus der EPH im vergangenen Jahr – der Platzhirsch auf dem Printmarkt. Laut Styria-Angaben lesen 65 Prozent der Kroaten die Printprodukte der Styria, während 35 Prozent Produkte der EPH lesen, die gerade ein Vorkonkursverfahren durchläuft und zu 90 Prozent ihrer Gläubigerbank, der Hypo Alpe Adria, gehört. Das schlage sich auch in den Verkaufszahlen nieder. 40.000 Ausgaben der konzerneigenen Zeitungen verkaufe man nun mehr als die Konkurrenz, sagt Vrgoć. Außerdem erreiche man mit den eigenen Marken täglich zwei Millionen Menschen. Das entspreche der Hälfte der kroatischen Bevölkerung. Und die 30 Magazine, die von "Večernji List" und "24sata" verlegt werden, decken – zum Teil mit minimalem journalistischem Einsatz – auch noch das kleinste Nischeninteresse zwischen Politik, Astrologie, Wellness und Militärgeschichte ab. Aus diesem Sortiment, das im Konferenzraum sorgfältig vor Vrgoć aufgelegt ist, stechen die hauseigenen Rätselhefte hervor. "Ein Inhalt, der immer geht", sagt Vrgoć. Auffallend sind daran die sehr leicht bekleideten Damen am Cover, die in Österreich eher auf Zeitschriften anderer Art zu finden sind.

"Sex sells" lautet die Devise hinter der Covergestaltung des Rätselhefts "Bingo Plus!".
foto: thomas wolkinger

Von Events bis zu Heiligenbildern

Die Wirtschaftskrise hat auch der Styria ab 2008 stark zugesetzt. Der Anzeigenmarkt brach jährlich um 15 Prozent ein, und die einst vom Privatkonsum getriebene kroatische Wirtschaft stagnierte. Trotzdem erwirtschafte "Večernji List" Gewinne, meint Vrgoć. Mit dem Kerngeschäft Journalismus allein sei das aber nicht zu bewerkstelligen. Auch nicht durch Kostensenkungen. Deswegen habe die Styria Hrvatska ihr Geschäft diversifiziert. So organisiert der lachsrosa "Poslovni dnevnik" Konferenzen und Tagungen wie das Business-Take-off zur Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen, die kroatische Waste-Expo und das Energy-Market-Forum.

Zu den neuen Geschäftsfeldern zählt auch "Njuškalo". Mit mehr als einer Million Usern zähle das Portal zu den meistgenutzten Websites Kroatiens und sei die erfolgreichste Online-Verkaufsplattform im Land. Bei einem Umsatz von fünf Millionen Euro mache die Plattform heuer einen Reingewinn von einer Million, sagt Geschäftsführer Goran Rubčić. Güter im Wert von mehr als 600 Millionen Euro würden da jährlich von Privaten gehandelt, Immobilien, Yachten und Autos gar nicht eingerechnet. Die Steuerbehörden dürften das gar nicht wissen, lacht Rubčić, der sich mit seinen 50 Angestellten einer "Start-up-Philosophie" verschrieben hat.

Aber auch die alten Medien machen neues Geld. Der "Večernji List" etwa mit Konzerten kroatischer Tamburica-Volksmusik und dalmatinischen Sängern. Und "24sata" fördere den Verkauf mit Sammelaktionen. Leser können zusätzlich zur Zeitung Heiligenmedaillons (besonders beliebt), Messer und Pfannen kaufen. Ausländische Gäste lächelten meist, wenn sie das hörten, sagt Vrgoć. "Aber es ist ein Millionengeschäft." Das noch dazu das Kerngeschäft Journalismus stütze. Auf Dauer werde das aber nicht reichen, um den Medienwandel zu überleben. "Langfristiges Ziel ist, unser digitales Angebot zu monetarisieren", sagt Vrgoć. Vor zwei Jahren habe man für Premium Content im "Večernji List" online eine Bezahlschranke eingeführt. Vrgoć: "Die Zahlen sind derzeit minimal, sie steigen aber."

Mario Vrgoć: "Um finanziell unabhängig zu sein, muss das Kerngeschäft Journalismus stabil bleiben. Unsere Nebengeschäfte garantieren das."
foto: raffael reithofer

Problem: Boulevardisierung und kaum Integrität

Jenseits der schönen Zahlen wird die Lage auf dem kroatischen Medienmarkt aber auch kritisch gesehen. Die Medienkonzentration auf dem kleinen, von internationalen Playern beherrschten Markt führe "zu einer für die Pressefreiheit gefährlichen Nähe zwischen den Medien und dem Staatsapparat sowie den großen Parteien", heißt es bei der deutschen Bundeszentrale für politische Bildung. Und Saša Leković, seit Anfang des Jahres Präsident der Kroatischen Journalistenvereinigung (HND), kritisiert die zunehmende Boulevardisierung, "24sata" ist da mitgemeint: "Sowohl Medien als auch Journalisten haben ihre Integrität verloren."

Vrgoć dazu: "Bei der Boulevardisierung kommt es auf das Produkt an. Das kann man nicht allgemein sagen. Kritik gibt es immer, die kommt von allen Seiten. Wir aber müssen unseren journalistischen Anforderungen folgen." Auch am zeitweise rechtsnationalen Kurs des "Abendblatts" gab es in der Vergangenheit Kritik, nach Einschätzung von Experten ist die Zeitung in den letzten Jahren aber wieder in die Mitte gerückt und gilt als vergleichsweise seriös. (Jacqueline Winkler, Nicole Stranzl, Raffael Reithofer, 14.12.2015)