Dem roten "Faden" folgen: Kurator Matthias Michalka erzählt in der Mumok-Schau "to expose, to show..." (bis 24. 1.), an welchen gesellschafts- und kulturpolitischen Fragen sich die Konzeptkunst rund um 1990 entzündete.

Foto: eSel.at, Lorenz Seidler

Sicher, der Börsencrash 1987 an der Wall Street hat stattgefunden und auch unmittelbare Auswirkungen auf den Kunstmarkt gehabt: Für Künstler war es nicht mehr sehr realistisch, auf diesem Weg zu Geld zu kommen; auf den Messen waren weniger Galerien, und die bisherigen Preise hatten keine Gültigkeit mehr. Es wäre aber zu eindimensional, institutions- und repräsentationskritische Kunst um 1990 mit der wirtschaftlichen Rezession allein zu erklären.

Bereits in den 1980ern, als das Galeriewesen noch blühte, setzte sich eine Reihe von Künstlern, sehr pointiert mit solchen Fragen auseinander. Es setzte eine Kritik an Werk- und Autorschaftsvorstellungen ein, auch weil viele mit den gefeierten Kunstformen nicht mehr viel anfangen konnten. Gerade aus feministischer und queerer Perspektive wurden immer wieder Identitätsfragen in den Raum gestellt. Darüber hinaus gab es ein ganz grundsätzliches Interesse an Repräsentationsfragen.

Soziale und politische Probleme, an denen man nicht mehr vorbeischauen konnte, wurden immer virulenter. In den USA hatte das etwa mit der Politik von Reagan zu tun, die zu extremer Ungleichverteilung und in der Folge zu großen sozialen Spannungen geführt hatte. Auch die Aids-Krise spielt eine Rolle, denn HIV war in Ermangelung vernünftiger Krankenversicherungen auch ein soziales Problem. In Europa wurden nach 1989 Fragen der Globalisierung, des Nationalismus und des Rassismus drängend.

Austausch und Diskurs

Die Ausstellung im Mumok konzentriert sich auf die Gruppierungen in New York, Köln und Wien, die untereinander vernetzt waren. Dabei waren es neben heimischen Künstlern, Fanzines und Kritikern auch Galerien, die die Brücke zwischen den Städten schlugen: die Galerie Pakesch (Stephen Prina, Heimo Zobernig u. a.) oder die Galerie Metropol (Renée Green, Andrea Fraser u. a). Die Galerien waren diskursive Orte, so hat Metropol etwa das Symposium "Das ästhetische Feld" mitorganisiert.

Wichtig waren auch die Hochschulen. Am Institut für Gegenwartskunst fand ein regelmäßiges Vortrags- und Diskussionsprogramm mit vielen internationalen Gästen statt. An der Angewandten unterrichteten etwa Helmut Draxler, Peter Weibel oder Ulf Wuggenig. Theorie wurde wichtiger.

Etwas mager schaute allerdings der institutionelle Raum aus. Das Museum spielte in dieser Diskussion kaum eine Rolle. Aber es gab im 20er-Haus etwa eine im Vergleich relativ frühe Ausstellung von Félix González-Torres.

Kritik an Formaten

Künstler kritisierten konventionelle Ausstellungsformate wie die "Junge Szene"-Schauen in dieser Zeit massiv. Aufgrund dessen verschwand das Format für Jahre, später lud man als Gegenmodell Künstlerkollektive ein. Denn typisch für Wien war, dass es viele Künstlergruppen, bzw. Künstlerinitiativen und von Künstlern betriebene Räume gab: Artfan, Klub 2, UKF, Hilus, The Thing, Public Netbase u. a. Oder auch das Bricks & Kicks, den Artclub Wien im alten AKH oder das Trabant, ein Off-Space in der Schleifmühlgasse, eine Art Wohnzimmer für alle.

Eine wichtige Rolle spielte in dieser Zeit das Modell der Bundeskuratoren, die mit damals ganz beachtlichen Mitteln ausgestattet wurden, um die freie Szene zu unterstützen. Plötzlich gab es Möglichkeiten – für Zeitschriftenprojekte, für Räume wie Depot und Kunstraum Wien. 1995 sperrte die Generali Foundation ihre Kunsthalle auf.

Natürlich kam es auch zu einem Wandel, der analytische, sprachliche und konzeptuelle Arbeitsweisen gegenüber jenen der unmittelbaren, sinnlichen Wahrnehmung neu bewertete. Ich erinnere mich noch gut: Als das Depot 1994 öffnete, galt am Wiener Institut für Kunstgeschichte der Standardsatz: 'Redets nicht so viel, schauts erst mal'. Das Vertrauen in die visuelle Komplexität und das Misstrauen gegenüber der Pest des Sekundären – also des Schreibens, Diskutierens, der Kunstkritik und des Kuratierens – und gegenüber allem, was nicht bildhaft ist, war schon stark. Es war ein wichtiger Schritt, dass man sich auch als Künstler wieder getraut hat, das Wort zu ergreifen und sich nicht mehr hinter wilden Gesten abgeduckt hat. (Anne Katrin Feßler, Spezial, 28.11.2015)