Kurt Bergmann, ORF- und ÖVP-Urgestein und Mensch hinter "Licht ins Dunkel" und "Nachbar in Not", ist gestorben.

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Wien – Der "Frechheit der Parteien, im ORF zuzugreifen", galt die letzte der großen Kampagnen seines Lebens: Jahr für Jahr offene Briefe an Kanzler und Vize, öffentliche Aufforderungen, doch vom ORF zu lassen, Formulierungshilfen für Regierungsprogramme und Zehn-Punkte-Kataloge für die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Kurt Bergmann wusste wie wenige, worum es da geht: Zeit seines Lebens pendelte er zwischen der ÖVP und dem ORF und organisierte da wie dort tatkräftig mit, sodass ORF-Legende Gerd Bacher zweimal gegen den Willen roter Kanzler doch wieder Generalintendant werden konnte.

Und Bergmann, gerade noch Pressemann der ÖVP und bürgerlicher Ministersprecher, Parteigeschäftsführer, Abgeordneter und Klubdirektor, wurde mit Bacher Kommunikationschef des ORF, ORF-Landesintendant in Niederösterreich und später der Steiermark und auch Generalsekretär des ORF, eine Schlüsselschaltstelle zwischen Küniglberg und Parteien.

Vom Saulus zum Paulus

"Es ist ein Unterschied, ob ein Generaldirektor es will oder ob es eine Partei diktiert", erklärte Bergmann einmal seine Wahlhilfe für Bacher, auch über Deals mit roten Betriebsräten in den ORF-Gremien. Und warum er sich nach seiner ORF- und Politikkarriere so vehement für die Unabhängigkeit des ORF starkmachte: "Mich interessiert die Zukunft des ORF und nicht die Frage, ob aus dem Saulus Kurt Bergmann ein Paulus geworden ist. Aber wenn es so ist, dann bekenne ich mich auch dazu."

Saulus, Paulus und Bekenntnisse: Kurt Bergmann, geboren 1935 nahe Neulengbach in Niederösterreich als Sohn eines Bäckers, der unter den Nationalsozialisten nicht Lehrer sein konnte, machte das Jesuitenkollegium Kalksburg beinahe zum Priester. Bergmann wurde doch Journalist, so seine Berufsbezeichnung auf der Parlamentsseite. Und Familienvater: zweimal verheiratet, vier Söhne.

Organisator für Bacher, Lindner, Ferrero-Waldner

Er wurde Politiker. Und vor allem Macher, ein zielstrebiger Organisator – mit weit gespannten Zielen. Bergmann konnte, mit allen Tricks, für die zwei Comebacks von Gerd Bacher auf dem Küniglberg kämpfen – aber auch 2006 für Wolfgang Schüssels ÖVP für die Wiederwahl von Monika Lindner, damals Generaldirektorin eines ORF, der alles andere als parteiunabhängig wirkte. 2006 kämpfte er mit weit weniger Herzblut und Erfolg.

Erfolg blieb schon Bergmanns Wahlkampagne 1979 für die ÖVP versagt, ebenso seiner Initiative für die ÖVP-Präsidentschaftskandidatin Benita Ferrero-Waldner 2004. Und auch für Bergmanns letzte große Kampagne zeichnet sich vor der nächsten ORF-Generalswahl kein Erfolg ab: Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP lassen – wie in den vergangenen Jahrzehnten – keine Ambitionen erkennen, freiwillig auf Einfluss im ORF zu verzichten.

Improvisiertes "Licht ins Dunkel" im Landesstudio

Vielfach – und bleibend – erfolgreicher war Macher Bergmann als Helfer in einem ganz anderen Feld als Macht und Politik: Am 24. Dezember 1973 setzte sich ORF-Landesintendant Kurt Bergmann in sein Radiostudio und moderierte eine Anrufsendung, die Spenden für ein Sozialprojekt für Menschen mit Behinderung sammelte, seine Söhne mussten ihm helfen, die Anrufe der Spender entgegenzunehmen. Aus der improvisierten Anrufsendung im Landesstudio wurde "Licht ins Dunkel", und Bergmann feierte Weihnachten deshalb über Jahre hinweg meist erst nach Mitternacht bei der Familie. Und Bergmann rief 1992, gerade ORF-Generalsekretär, mit Caritas und Rotem Kreuz die große internationale ORF-Spendenaktion ins Leben: "Nachbar ins Not". Damals mit Hilfsgütern für Flüchtlinge und Vertriebene im jugoslawischen Bürgerkrieg. Heute mit der Flüchtlingshilfe für Syrien. In der Nacht auf Freitag ist Kurt Bergmann mit 80 Jahren an Krebs gestorben. (Harald Fidler, 15.1.2016)