Wien – Mit einem Lesereigen eröffnete das Ilse-Aichinger-Haus vergangenen Sonntag seine erste Ausstellung Wie nach Auckland?. Im Zentrum steht das Hörspiel Auckland der 94-jährigen österreichischen Autorin.

Das Literaturhaus nistete sich dazu einen Abend lang in der Galerie Im Ersten, in der Sonnenfelsgasse der Wiener Innenstadt, ein. Nun bahnen sich die Exponate der Künstler Brigitta Höpler, Cindy Leitner, Natalie Neumaier und Georg Oberhumer ihre Wege durch Wien. Die Arbeiten, etwa Text- und Bildcollagen, werden an Plakatwänden und auf Postkarten aufblitzen. Bald sollen auch Audio-Stücke über Anrufbeantworter gehört werden können.

Die Idee ist, die Texte Aichingers in den öffentlichen, städtischen Raum zu holen. Aus einer jüdischen Familie stammend, verbrachte die Autorin ihre Jugend versteckt und isoliert im Wien der Nazizeit. Ihre Texte – nicht zuletzt auch die vielen Miniaturen, die sie in den 2000er-Jahren für den STANDARD schrieb – drücken eine sehr eigene, nicht festschreibbare Räumlichkeit aus.

Das Ilse-Aichinger-Haus lässt darum "Mauern gar nicht erst aufkommen". Wenn man es sich einfach machen will, kann man das "Haus" auf seine Bauleute reduzieren und von einem "Kollektiv" sprechen. Das sind die Literaturwissenschafter Gilbert Waltl, Andreas Dittrich, Alexander Wöran, Daniel Lange, Mathias Müller, Marlene Csillag, Katharina Godler und Kathrin Rohrbacher. Oder man betont die Organisationsform: ein jüngst gegründeter Verein mit Sitz in Wien.

Kleine, aber tiefe Irritation

Doch kommt dann, von Nichteingeweihten, erneut die Nachfrage nach der Adresse des Bauwerks, das neuerdings Ilse Aichinger würdigen soll, erkennt man die kleine, aber tiefe Irritation, die die Genannten mit dem Ausrufen eines Literaturhauses erzeugen. Eine Irritation, die so gut zu dem wechselbaren und oft prekären Verhältnis zum Raum passt, das Aichingers Literatur erzeugt.

"Wir wollen ein Literaturhaus bauen, das es nicht gibt. Wollen Sie unser Architekt sein?", mit dieser Frage konnten sie Friedrich Achleitner für die Lesung gewinnen. Der Architekt und Autor, der in der Wiener Gruppe aktiv war, las aus seinem neuen Buch Wortgesindel. Eine seiner gewitzten Miniaturen beschreibt das schildbürgerliche Vorhaben, den ganzen Erdball zum Weltkulturerbe zu erklären und damit alles zum Museumsstück zu machen.

Das Verwirrungsspiel des Ilse-Aichinger-Hauses kritisiert die Musealisierung von Literatur, mit der oft ein plumper Biografismus einhergeht. Hier soll Literatur selbst Bausubstanz sein.

Die ersten Bausteine, die vier Lesungen vom Sonntag, standen in ganz unterschiedlicher Verbindung zu Ilse Aichinger. Franziska Füchsl trieb in ihrer Performance ein "aichingerisches Spiel" mit Raum, Geräuschkulisse und Wortklang. Greta Lippauer las einen eindrucksvollen Text, der sich stilistisch dem literarischen Universum von Aichinger annähert.

Der Autor und Übersetzer Peter Waterhouse verlängerte das Spiel zwischen realem und literarischem Raum und brachte Elemente aus Aichingers Texten in die Alltagsräume seiner Erzählung. (Julia Grillmayr, 30.11.2015)