"Kunstboxen" (2015): Ina Loitzl thematisiert den permanenten Zustand des Sich-Durchschlagens im Kulturbetrieb.

Foto: Marko Lipus

Wien – Im Künstlerhaus gibt es jetzt ein Labyrinth, gebaut aus schwarz bemaltem Holz. Im abgedunkelten Raum führt es um eine Handvoll Ecken, und weil ein Labyrinth kein Irrgarten ist, kann man sich nicht verlaufen. Also steht man schon bald tief drinnen. Wer sich nun an die Gebrauchsanleitung der Installation hält, dem dämmert dort im Dunkeln in etwa das Folgende: Künstler haben es schwer.

Das -labyrinth (2015) ist nämlich ein Versuch, ein Gefühl für das Prekariat Kulturschaffender zu geben. Insbesondere das Verlorensein im Förderdschungel wollen Christiane Spatt, Karin Maria Pfeifer und Sula Zimmerberger vermitteln. Hier werde "Ausweglosigkeit im ganzen Wortsinn" erlebbar, verrät der Wandtext. Das erhöhe die "Chancen auf echte Awareness". Und man kommt nicht umhin zu sagen, dass das Trio wohl einen Volltreffer gelandet hat. Lediglich anders als gedacht: Im dunklen Labyrinth stellt sich "echte Awareness" vor allem für jene Förderjurys ein, die sich angesichts derartig plumper Konzepte zieren, die begehrten Mittel rauszurücken.

Die Unsicherheit und der immaterielle Kapitalismus

Zu begehen ist -labyrinth aktuell im Künstlerhaus. Über: Macht nennt sich die Mitgliederausstellung betreffend "Ohnmacht und (Selbst-)Ermächtigung", die nach Über: Angebot und Über: Ich der dritte und letzte Teil der Reihe Brennende Fragen ist. Darin widmet man sich den Arbeits- und Lebenswelten von Künstlern, der Unsicherheit in Zeiten von Ich-AGs, immateriellem Kapitalismus und der Frage, was denn Kunst überhaupt sei und solle. Allein: So spannend und relevant wie das Thema sind viele der gezeigten Arbeiten leider nicht.

Hat man das Labyrinth verlassen, warten etwa Pfeifers Verstrickungen (2015): verknäulte Objekte aus PVC-Dichtungen, die den Vernetzungszwang im Kunstbetrieb symbolisieren, der im kreativen Schaffensprozess oft eher hinderlich ist – ein weiterer unglücklicher Versuch, komplexe Zusammenhänge per Objekt abzubilden. Die Knäuel könnten demnächst auch für weiß Gott welche Verstrickungen stehen.

Viele Perspektiven, aber keine Perspektive

Dass Künstler, um ihre Brötchen zu verdienen, bisweilen auch für andere Künstler Modell stehen müssen, ist im Wesentlichen die Botschaft von Sula Zimmerbergers Fotoserie Saal 05. Außer dass man die im Aktzeichensaal posierende Künstlerin hier von vielen Seiten – und in einer sargähnlichen Holzkiste liegend! – betrachten kann, bietet auch diese Arbeit allerdings wenig Perspektiven an.

Aufschlussreicheres über die gegenwärtige Situation des Künstlers hält Alfredo Barsuglias Ensemble Ohne Titel (2015) bereit – bei weniger Aufwand. Neben seinen Zeichnungen steht in Kreidebuchstaben "Alfredo du Oarsch!!". Sabotage eines bösartigen Kollegen? "Nein, das gehört so", sagt Barsuglia. "Wenn ich nichts hinschreibe, spricht mich ja niemand mehr auf die Arbeiten an. Nach dieser Beleidigung fragt mich allerdings jeder." Tja, erwischt. Barsuglias Pflanzenzeichnungen thematisieren übrigens die Frage nach der Sinnhaftigkeit, mittels Kunst die Realität abbilden zu wollen.

"Der Schmerz ist temporär, die Ehre für immer"

Humor zeigt auch Ina Loitzl. Kunst kommt von kämpfen, so ließe sich die Message ihrer Installation Kunstboxen zusammenfassen: Die Künstlerin zieht Parallelen zwischen Kampfsport und Künstlerdasein. "Der Schmerz ist temporär, die Ehre für immer" – überträgt sie ein einschlägiges Motivationsmantra in die Kunstwelt. An der Wand hängen Auszeichnungen, die keine sind: "Special Mention Award" oder "Finalist" steht da auf Siegerkränzen. Oder "Publikumspreis". Ein Accessoire wie der Zahnschutz mag einstweilen dafür stehen, dass Abgesichertheit mitunter auch das Zubeißen erschwert.

Machtverhältnisse jenseits des Kunstbetriebs nimmt Global Curls for Egyptian Girls in den Blick: Karin Hannak und Ilse Hirschmann sammeln für ihre Installation von jedem, der sich beteiligen möchte, Haarlocken. Diese werden zusammen mit einem kleinen Steckbrief auf einem roten Netz drapiert, das für Vernetzung steht. Inspiriert ist die Aktion von jenen Aktivistinnen, die sich im Dezember 2012 in Kairo zum Zeichen des Protests gegen die Marginalisierung der Frau öffentlich die Haare abschnitten. Diese Geste der Solidarität wollen Hannak und Hirschmann jetzt globalisieren. Ob diese Arbeit tatsächlich in einen Kunstraum gehört, ist fraglich. Jedenfalls ist sie entwaffnend gut gemeint. (Roman Gerold, 1.12.2015)