Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl wird seinem Ruf als Rechtsausleger der SPÖ gerecht, wieder einmal. Und er unterstreicht, welch hohen Wert die Illoyalität in der SPÖ offenbar hat. Die eigene Profilierung geht in jedem Fall über gemeinsame Werte, zu denen man sich in der Partei bekennen könnte. Aber das ist kein Makel, der allein an sozialdemokratischen Funktionären haftet. Niessl hat Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann ausrichten lassen, dass es einen Kurswechsel der SPÖ in der Asylpolitik brauche. Dass sich Niessl dabei ausgerechnet der Kronen Zeitung, also des Haus-und-Hof-Blatts des Kanzlers, bedient, passt gut ins Bild.

Niessl will weniger Flüchtlinge – in seinem Land und im ganzen Land. Im Kleinen lässt die burgenländische SPÖ gemeinsam mit den neuen blauen Freunden die Demonstranten in Bruckneudorf aufmarschieren, um die Unterbringung von ein paar Dutzend Flüchtlingen vor Ort zu vereiteln; im Großen wird mit der Populismuskeule Angst geschürt: Hunderttausende Flüchtlinge – das geht doch nicht.

Wenn Kanzler Faymann irgendwann Mut gezeigt und Haltung bewiesen hat, dann in den letzten Wochen, als er versucht hat, in der Flüchtlingsfrage Kurs zu halten, der deutschen Kanzlerin Angela Merkel zu folgen und so etwas wie "Wir schaffen das" zu kommunizieren. Dass er in dieser hochemotionalen Debatte immer wieder auch Respekt von allen Seiten einfordert und darauf hinweist, dass es hier um Menschen geht, ist ihm hoch anzurechnen. Das Unterfangen ist allerdings zum Scheitern verurteilt, wenn nicht einmal der burgenländische Landeshauptmann in der Lage ist, seinem Parteifreund in Wien eine Ahnung von Respekt entgegenzubringen – geschweige denn der Koalitionspartner.

Zwischen den Positionen der FPÖ ("Weg mit den Flüchtlingen") und der Grünen ("Her mit den Flüchtlingen") ist es für die Regierungsparteien offenbar unmöglich geworden, das Thema noch nachvollziehbar zu kommunizieren. Eine Antwort auf die Befürchtung, dass dann alle kommen könnten, ist tatsächlich nicht so einfach zu geben. Die Frage, ob Obergrenzen oder Kontingentierungen zulässig sind, kann frei von ideologischen Einfettungen nicht diskutiert werden.

Dass nicht alle kommen können, um das offen und vereinfacht anzusprechen, scheint den meisten klar zu sein. Es wird auf nationaler, vor allem aber auch auf internationaler Ebene an einer ganzen Reihe von Maßnahmen gearbeitet, um besser mit der Flüchtlingsbewegung umgehen zu können. Da sind auch Maßnahmen dabei, die nur darauf abzielen, die Flüchtlingsbewegung zu bremsen, ganz unideologisch. Das mag nicht ausreichend oder befriedigend sein, aber es passiert etwas, in kleinen Schritten. Ja, in zu kleinen Schritten – aber in die richtige Richtung.

Das Marketing der Regierung in Wien ist leider nicht geeignet, diese Schritte und diese Richtung erkennbar zu machen. Es bietet einem Hans Niessl genügend Spielraum, das Geschäft der FPÖ zu erledigen und Politik auf dem Rücken jener Menschen auszutragen, die unmittelbar davon betroffen sind. Den Rest erledigen dann Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner selbst, wenn sie sich Woche für Woche in kleinlichen Sticheleien und dummen Schuldzuweisungen ergehen und den letzten Rest des in sie gesetzten Vertrauens vernichten. Auch ganz unideologisch. (Michael Völker, 1.12.2015)