Radio-Betriebsratschefin Gudrun Stindl.

Foto: Hans Krist

STANDARD: Sie sind seit Mitte der Woche Betriebsratschefin im ORF-Radio. Mit fünf Mandaten hat Ihre neue Liste – nach zwei für Ihre Ö3-Liste vor vier Jahren – überraschend den bisherigen Radiobetriebsrat und ORF-Zentralbetriebsratschef Gerhard Moser überholt. Und das am Tag nach einer großen Protestveranstaltung für den Erhalt des ORF-Funkhauses, das Mosers zentrales Thema war. Will ein großer Teil der Radiomitarbeiter gar doch weg und auf den Küniglberg?

Stindl: Nein, das denke ich nicht. Fast alle Kolleginnen und Kollegen von Ö1 und FM4 sind mit dem Funkhaus aus den verschiedensten Gründen tief verbunden, so wie auch ich. Ich habe hier meine journalistische Karriere genau vor 20 Jahren begonnen. Das Funkhaus steht für Radio-Geschichte, für einen funktionierenden Kulturstandort, für zentrumsnahe aktuelle Berichterstattung.

STANDARD: Sind Sie nun eigentlich für das Funkhaus als ORF-Standort oder für den Küniglberg mit dem gemeinsamen Newsroom?

Stindl: Ich halte es für nicht richtig, dass das Funkhaus verkauft wird. Ich hätte mir zum Beispiel gewünscht, den cross-medialen Newsroom hier in der Argentinierstraße zu bauen. Dafür sei aber zu wenig Platz gewesen, sagt die Geschäftsführung. Fakt ist, dass es einen aufrechten Stiftungsratsbeschluss gibt, der die Zusammenführung aller drei Wiener Standorte – Ö3-Heiligenstadt, Funkhaus, Küniglberg – beschlossen hat. Und Fakt ist auch, dass das Geld, das die Geschäftsführung hofft aus dem Verkauf des Funkhaus zu lukrieren, bereits im Budget 2016 enthalten ist. Jetzt gilt es – so rasch wie möglich, da ja der Verkaufsprozess bereits im Laufen ist – aktiv daran mitzuarbeiten, dass wesentliche Teile des Funkhauses dem ORF erhalten bleiben, damit nicht nur das Orchester hier weiterhin seinen Platz hat, sondern dass auch Arbeitsplätze für Ö1, FM 4, sowie den aktuellen Dienst erhalten bleiben. Wir brauchen im Zentrum der Stadt ein Stadtstudio, das seinen Namen verdient. Der ORF wird es dringend brauchen.

STANDARD: Haben Sie eine Erklärung, warum die meisten gültigen Stimmen bei der Radio-Betriebsratswahl auf Ihre Liste entfiel?

Stindl: Mein Team ortet einen Wunsch nach Veränderung.

STANDARD: Sie haben nach unseren Informationen 2014 als einziges Mitglied des ORF-Zentralbetriebsrats gegen den neuen, für die neuen Mitarbeiter schlechteren Kollektivvertrag gestimmt. Warum eigentlich?

Stindl: Aus meiner Sicht ist der Gehaltsunterschied zu den alten Verträgen zu hoch. Im Schnitt verdienen neu Angestellte zum Beispiel im journalistischen Bereich um 20 Prozent brutto weniger, als jene im ORF-Kollektivvertrag 2003, in der Administration ist die Schere noch größer. Das ist für das Arbeitsklima schlecht, sorgt schon jetzt für Unmut. Da sitzen zwei Kollegen in der gleichen Redaktion, machen die gleiche Arbeit – und verdienen völlig andere Summen. Nicht gerade motivationsfördernd. Zudem wird der neue KV a la longue die älteren Dienstverhältnisse massiv unter Druck bringen. Das bereitet mir Sorge.

STANDARD: Sie traten 2012 bei der ORF-Zentralbetriebsratswahl als Nummer zwei auf der Liste von Monika Wittmann an, die der ÖVP zugerechnet wird. Sehen sie sich und Ihre Liste als Teil einer schwarzen Betriebsratsfraktion, wo sie in den vergangenen Wochen besonders häufig – etwa auch von Gerhard Moser – verortet wurden?

Stindl: Absolut nicht – #radio ist eine bunte Truppe, die keiner Partei zugeordnet werden kann. Ich finde es auch meinen Kollegen und Kolleginnen auf meiner Liste gegenüber nicht fair, in eine Schublade gesteckt zu werden.

STANDARD: Und Sie?

Stindl: Wenn schon, dann kann man mich in diese "schwarze" Schublade stecken; da ich ja – wie Sie sagen – auf der Liste von Monika Wittmann bei der letzten ZB-Wahl kandidiert habe. Monika Wittmann hat mir vor vier Jahren die Chance geben, die Arbeit im Zentralbetriebsrat kennenzulernen. Dafür bin ich ihr dankbar, auch dafür, dass sie akzeptiert hat, dass ich unabhängig bleibe. Ich habe diese Unabhängigkeit ja auch bewiesen dadurch, dass ich etwa gegen den Kollektivvertrag 2014 gestimmt habe und sie dafür.

STANDARD: 2016 wird der nächste ORF-General vom Stiftungsrat bestellt, in dem auch fünf Betriebsräte mitstimmen. Nach Ihrem Wahlsieg im Radio und der Liste der bürgerlichen Marianne Schüttner in der kaufmännischen ORF-Direktion wurde schon über eine neue Gewichtung der Mandate des Zentralbetriebsrats spekuliert, die Anfang 2016 wieder zu besetzen sind. Bisher steht es dort zweimal Rot, zweimal Unabhängig, einmal Schwarz. Ist eine Verschiebung dort aus Ihrer Sicht realistisch?

Stindl: Ich glaube es wird nicht viel ändern. Außerdem ist es aus meiner Sicht viel zu früh darüber zu spekulieren, da ja noch die Zentralbetriebsratwahl ansteht. (fid, 3.12.2015)