Wien – Alle Nationalratsparteien mit Ausnahme der Grünen haben sich auf schärfere Regeln für den Amtsverlust von Abgeordneten geeinigt: Mit sechs Monaten unbedingter Haft beziehungsweise zwölf Monaten bedingt sollen Abgeordnete das Mandat verlieren. Diese Regelung wird auf alle obersten Organe ausgeweitet, also auch Bundespräsident und Regierungsmitglieder in Bund und Land. Volksanwälte sollen abwählbar werden. Die Grünen hatten auf einen Mandatsverlust bei jeder unbedingten Haftstrafe und bei Verurteilungen wegen Amtsmissbrauchs und Korruption gepocht.

Der Entwurf ist eng an frühere ÖVP-Vorschläge angelehnt. Der frühere Zweite Nationalratspräsident Fritz Neugebauer (ÖVP) hatte noch kurz vor der Wahl 2013 versucht, strengere Regeln zu erreichen, die SPÖ stimmte aber nicht zu. Ein neuer Vorstoß nach der Affäre um die FPÖ-Abgeordnete Susanne Winter scheint nun erfolgreicher zu sein. In kurzer Zeit einigten sich zumindest fünf Parteien und gaben einen Antrag in Begutachtung.

Für strengen Verhaltensstandard sensibilisieren

Dieser unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von den alten ÖVP-Vorschlägen: Amtsmissbrauch und Korruption führen nicht in jedem Fall zum Mandatsverlust, auch hier ist bei Strafen unter sechs beziehungsweise zwölf Monaten keine Konsequenz vorgeschrieben.

Erklärtes Ziel des Entwurfes ist, alle Politiker Österreichs einem "gemeinsamen strengen Verhaltensstandard" zu unterwerfen. "Im Besonderen sollen 'Politiker' im weitesten Sinne sensibilisiert und dazu angehalten werden, im Falle ihres Fehlverhaltens ihr Mandat beziehungsweise ihr Amt sofort zurückzulegen, bevor es zu einer dauerhaften Beschädigung ihres Amtes und der Politik im Allgemeinen kommen kann", steht in den Erläuterungen.

Die neuen Verfassungsbestimmungen sollen nicht nur für den Nationalrat und die Bundesorgane gelten, sondern auch Mindeststandard für die Länder sein: Sie müssen für ihre Landtage und Landesregierungen zumindest ebenso strenge Regeln erlassen oder können auch noch schärfere Grenzen ziehen.

Per Antrag an Verfassungsgericht

In Summe gilt der neue Verhaltensstandard damit für Abgeordnete, Präsidenten und Vizepräsidenten des Nationalrats, des Bundesrats und der Landtage, die EU-Abgeordneten, den Rechnungshof-Präsidenten, die Mitglieder der Volksanwaltschaft, den Bundespräsidenten sowie die Mitglieder von Bundes- und Landesregierungen – inklusive Staatssekretäre. Ihnen allen soll künftig vom Verfassungsgericht das Mandat oder das Amt aberkannt werden, wenn sie während der Amtsführung die Wählbarkeit verlieren – und zwar auf Antrag des zur Kontrolle berufenen Vertretungskörpers.

Das sind auf Bundesebene Nationalrat und Bundesversammlung. Im Nationalrat sind die Präsidenten für den Antrag beim Verfassungsgericht zuständig. Werden sie nicht tätig, kann der Nationalrat mit Mehrheit einen Antrag beschließen – und geschieht auch das nicht, kann sich ein Drittel der Abgeordneten an den Verfassungsgerichtshof wenden.

Ansatzpunkt des Amtsverlusts ist die Wählbarkeit. Schon jetzt verlieren Abgeordnete ihr Mandat, wenn sie die Wählbarkeit verlieren. Das wird nun auf alle obersten Organe ausgedehnt, auch Rechnungshof-Präsidenten und Volksanwälte werden ausdrücklich einbezogen. Und in Anlehnung an das Beamtendienstrecht wird das Kriterium etwas schärfer: Die Wählbarkeit ist nicht erst mit Verurteilung wegen einer mit Vorsatz begangenen Tat zu mehr als einjähriger unbedingter Freiheitsstrafe verloren – sondern schon bei sechs Monaten unbedingt beziehungsweise einem Jahr bedingt.

Inklusive Staatssekretären

Bei den Volksanwälten wird eine weitere Lücke geschlossen, über die vor Jahren wegen Äußerungen des FPÖ-Volksanwalts Ewald Stadler immer wieder diskutiert wurde: Auch Volksanwälte werden künftig nicht nur vom Nationalrat gewählt, sondern auch mit einfacher Mehrheit abberufen werden können – ebenso wie jetzt schon der Rechnungshof-Präsident. Und es wird klargestellt, dass auch Staatssekretäre dem Nationalrat direkt verantwortlich sind. Das heißt, dass auch gegen sie beim Verfassungsgericht eine Ministeranklage wegen schuldhafter Gesetzesverletzung in Ausübung des Amts möglich ist.

Ganz auf Nummer sicher gehen will man bei wegen Verurteilung des Amts enthobenen Regierungsmitgliedern: Ihnen wird die Rückkehr auf ihr (meist bei Angelobung zurückgelegtes) Nationalratsmandat untersagt. (APA, 3.12.2015)