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Die Trainings werden in Farsi, Arabisch, Französisch und Russisch angeboten und dauern fünf Wochen.

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Thomas Fabry ist Bereichsleiter für arbeitsmarktpolitische Projekte am Berufsförderungsinstitut Wien.

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Wien – Eine syrische Frau mit positivem Asylbescheid kommt zum Arbeitsmarktservice. Der Berater bietet ihr einen Job als Reinigungskraft an. Die Frau, die kaum Deutsch spricht, nickt und geht – ohne tatsächlich verstanden zu haben. "Dabei ist die Frau mitunter völlig für den Job überqualifiziert", sagt Thomas Fabry, Bereichsleiter für arbeitsmarktpolitische Projekte am Berufsförderungsinstitut (BFI) Wien.

Viele der nach Österreich kommenden Flüchtlinge würden nicht nur einer gänzlich anderen Kultur, sondern einer anderen Berufs- und Ausbildungswelt entstammen, sagt Fabry. Diese gelte es mit "unserer" in Einklang zu bringen – "quasi die Folien übereinanderzulegen" –, und das soll in den vom AMS beauftragten "Kompetenzchecks" passieren, die seit September als Pilotversuche in Wien laufen.

Das BFI Wien führt diese Kurse als einer von mehreren Auftragnehmern des AMS durch. Derzeit sitzen rund tausend Flüchtlinge in zahlreichen Kursen in verschiedenen Instituten in Wien. Die Trainings werden in Farsi, Arabisch, Französisch und Russisch angeboten und dauern fünf Wochen. Die Kurse für Flüchtlinge, die Farsi oder Arabisch sprechen, finden nach Geschlechtern getrennt statt.

"Falsche Toleranz"

Diese Tatsache hat Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) scharf kritisiert und als "falsch verstandene Toleranz" bezeichnet. Laut Fabry haben sich die Kurse eigens für Frauen bewährt. "In den Herkunftsländern gibt es sehr große Unterschiede in den Rollenbildern", sagt er. Während die Männer arbeiten gingen, würden sich die Frauen häufig nur um Haushalt und Kinder kümmern. Trotzdem seien die weiblichen Flüchtlinge oft aufgrund des sozialen Status gut ausgebildet. Das habe zur Folge, dass Männer oft handwerkliche Berufe haben und Frauen etwa eine Ausbildung als Kindergartenpädagogin oder Lehrerin. Die Bedürfnisse seien sehr unterschiedlich und könnten in den nach Geschlechtern getrennten Kursen besser erfüllt werden.

Bei den Frauen gehe es auch darum, ihnen zu vermitteln, dass sie in der westlichen Kultur selbstständig sein können und ihr eigenes Geld verdienen. "Das ist in einer geschlechtshomogenen Gruppe leichter", sagt Fabry. Die Frauen bräuchten Zeit, um sich zu öffnen und Vertrauen zu fassen. "Generell gilt, dass Frauenförderung nicht immer mit Männern gemeinsam funktioniert." Man würde sich grundsätzlich anders verhalten, wenn man nur mit Menschen des eigenen Geschlechts in einer Gruppe sei.

Weniger Anerkennung für Frauen

Und Fabry spricht auch ein heikles Thema an, das vor allem muslimische Männer betreffe: "Kursleiterinnen erlangen oft aufgrund ihres Geschlechts weniger Anerkennung als gleichwertig qualifizierte Männer. Das Ziel muss es sein, das zu ändern."

Bei den Kompetenzchecks testet das BFI Wien – egal ob nun bei Männern oder Frauen – die Qualifikationen, Fertigkeiten und Fähigkeiten der Flüchtlinge. Wenn zum Beispiel jemand sage, dass er Tischler sei, gehen die Trainer mit dem Flüchtling in eine Werkstatt und befragen ihn zur Werkzeugkunde oder lassen ihn ein Werkstück anfertigen. "Etwas schwieriger ist es beim Uni-Professor", sagt Fabry. In höher qualifizierten Dienstleistungsberufen sei jedenfalls die Sprache entscheidend. Praktika bieten für diese Personen eine gute Möglichkeit, ihr Wissen unter Beweis zu stellen.

Anderer Arbeitsmarkt

Der nächste Schritt ist die Berufsorientierung. "Wir recherchieren gemeinsam mit ihnen, welche Berufe sie mit ihren vorhandenen Qualifikationen in Österreich machen können, wie ein Bewerbungsgespräch bei uns abläuft und wie das Arbeitsrecht funktioniert." Der Arbeitsmarkt sei in Österreich ganz anders als in Syrien, wo es viele Kleinstgewerbe gibt. "Bei uns braucht man für jeden Stand einen Gewerbeschein und eine Betriebsbewilligung." An Schnuppertagen in der Jobwerkstatt können die Kursteilnehmer dann Jobs ausprobieren.

Am Ende des fünfwöchigen Kurses bekommen die Teilnehmer einen Kompetenzbericht als Zusammenfassung ihrer Qualifikationen und Möglichkeiten am Arbeitsmarkt für das AMS mit. "Damit weiß das Arbeitsmarktservice noch besser, was der nächste Schritt sein könnte."

Für Wertekurse

Die Wertekurse, die Integrationsminister Kurz vorschlägt, findet Fabry sinnvoll. "Es ist wichtig anzusprechen, was die 'Norm' darstellt, damit die Flüchtlinge eine Chance haben zu verstehen, wie die Gesellschaft funktioniert." Zusätzlich würde sich Fabry vor allem mehr integrative Maßnahmen wünschen. Parallel zu den bestehenden Deutschkursen schlägt er langfristige Praktika in Unternehmen vor. "Es ist wichtig, dass sie Österreicher kennenlernen und neben dem Kurs in der Praxis Deutsch sprechen." (Lisa Kogelnik, 4.12.2015)