Erst Anfang der 1970er Jahre entdeckt, entwickelt sich der Türkise Prachtgrundkärpfling zum Shooting Star der Altersforschung.

Foto: FLI / Nadine Grimm

Jena – In der Altersforschung Erkenntnisse aus dem Tierreich auf den Menschen umzulegen, hat seine Tücken: Bisher arbeiten Wissenschafter vor allem mit Platt- und Rundwürmern, Fliegen, Mäusen und Zebrafischen.

"Die Würmer und Fliegen sind evolutionsbiologisch vom Menschen allerdings sehr weit entfernt", weist Matthias Platzer, Gruppenleiter am Jenaer Leibniz-Institut für Alternsforschung, auf einen gewichtigen Nachteil hin. Mäuse und Zebrafische werden mehrere Jahre alt – entsprechend lang dauern dann allerdings die Experimente.

Der Hoffnungsträger

Auftritt für einen neuen Modellorganismus mit dem tönenden Namen Nothobranchius furzeri: der Türkise Prachtgrundkärpfling. Der aus Afrika stammende, etwa sechs Zentimeter lange Süßwasserfisch ist das kurzlebigste Wirbeltier, das im Labor gehalten wird. Ein Stamm wird gerade einmal vier Monate alt, die langlebigsten Tiere der Art sterben mit zwölf Monaten. Dabei altern sie für die Forscher quasi im Zeitraffer und zeigen typische Altersmerkmale, wie sie auch beim Menschen zu beobachten sind.

Ein internationales Forscherteam hat nun unter Leitung des Jenaer Leibniz-Instituts das Genom des Fisches entziffert und berichtet darüber im Fachmagazin "Cell". "Wir können diesen Code jetzt lesen, aber ihn zu verstehen wird noch viele Jahre in Anspruch nehmen", betont Platzer. Dennoch sprechen er und seine Kollegen von einem Meilenstein, weil sich dadurch ganz neue Ansätze für die Forschung ergeben.

Sie können etwa gezielt die Genome kurz- und langlebiger Exemplare vergleichen, um nach neuen Genen zu suchen, die Alterungsprozesse steuern. "Die Kenntnis des Genoms erlaubt auch gezielte Eingriffe", erläutert Co-Autor und ebenfalls Gruppenleiter an dem Institut Christoph Englert. "Jetzt können wird zum Beispiel einzelne Gene ausschalten oder überaktivieren und die genauen Auswirkungen beobachten." Da mehr als 90 Prozent der Gene des Menschen denen im Fisch ähnlich seien, sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich viele Erkenntnisse auf den Menschen übertragen ließen, sagt er.

Weitere Projekte

Den Türkisen Prachtgrundkärpfling haben auch schon andere Forscher ins Auge genommen. Einer der ersten war Dario Valenzano, der schon seit mehr als zehn Jahren an dem Fisch forscht. Er untersucht am Kölner Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns genetische Grundlagen für Lebensspanne und Alterungsprozesse bei Wirbeltieren.

Auch er bezeichnet das neue Wissen zum Genom des Fisches als "Meilenstein", der das Interesse an dem Fisch als Modell- und Versuchstier in der Wissenschaft beflügeln werde. So könnten mit dem Wissen künftig menschliche Alterskrankheiten in den Fisch modelliert und Wirkstoffe dagegen getestet werden, erklärt er.

Boom zu erwarten

Ein Beispiel: Schon vor Jahren etwa gab es eine Untersuchung zum Stoff Resveratrol, der natürlicherweise im Rotwein vorkommt. "Wir konnten damals zeigen, dass diese Substanz die Lebenserwartung der Fische signifikant verlängert hat", berichtet Valenzano. Da die neuen Erkenntnisse zum Genom des Fisches auch in Datenbanken Wissenschaftern weltweit zur Verfügung gestellt werden, glaubt er fest an eine steile "Karriere" des Fisches in der Forschung.

Zuletzt habe es etwa 20 Labors weltweit gegeben, die anhand dieses Fisches forschen oder daran interessiert gewesen seien, erklärt er. "In den nächsten Jahren wird ihre Zahl sicher auf mindestens 100 steigen." Was die Größe des Lebensraums anbelangt, dürften sich Laborfische übrigens kaum verschlechtern: In ihrer natürlichen Umgebung leben sie in kleinen Tümpeln und Wasserrinnen, die nur kurzen Bestand bis zur Austrocknung haben. (APA, red, 4. 12. 2015)