Der Fachärztemangel in der Psychiatrie ist akut: An einer von sechs psychiatrischen Abteilungen am Otto-Wagner-Spital können die Nachtdienste nicht mehr mit einem eigenen Facharzt besetzt werden.

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Wien – Es sind Schlagzeilen, die kranke Menschen nicht gerne lesen: Berichte über Fachärztemangel, lange Wartezeiten auf Operationen und dementsprechend verzweifelte Patienten machen landesweit die Runde – so auch in der Bundeshauptstadt. Hinter den geschlossenen Türen des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV) gehen die Wogen hoch.

Fakt ist: Für bestimmte Fachrichtungen soll es nur noch eine Ambulanz geben. Augenheilkunde und Dermatologie sollen laut Presse nur noch in der Rudolfsstiftung angesiedelt werden – als zentrale Stationen für alle Wiener Gemeindespitäler. Die Patienten sollen verstärkt im niedergelassenen Bereich, also in Arztpraxen, versorgt werden. Das will der KAV aber weder bestätigen noch dementieren, sondern er verweist auf ein im Regierungsprogramm verankertes "Modernisierungsprogramm". Ob es dann mehr Verträge für niedergelassene Ärzte gibt, ist noch nicht geklärt. Hier wird der Ball an die Wiener Gebietskrankenkasse weitergespielt, die die Hoheit über die Vergabe der Kassenverträge hat.

Spitalskonzept 2030

Das Spitalskonzept 2030, das auch den Bau des mit allen Abteilungen ausgestatteten Krankenhauses Nord beinhaltet, soll damit infrage gestellt werden. Betroffene Mitarbeiter beklagen, davon nur aus den Medien erfahren zu haben. Ambulanzen zu zentralisieren sei vor allem kostensparend, sagen Insider, da die Personalkosten durch Überstunden seit Juli massiv gestiegen seien. Der KAV will am Spitalskonzept 2030 festhalten, weist aber den Vorwurf der Kostensenkung zurück. Das Budget sei nicht gesunken, daher sei es kein Sparprogramm.

Zugespitzt hat sich die Situation am Otto-Wagner-Spital. Dort können an einer von sechs psychiatrischen Abteilungen die Nachtdienste nicht mehr mit einem eigenen Facharzt besetzt werden. Ein Facharzt pro Station und Nacht ist aber im Wiener Krankenanstaltengesetz vorgesehen.

Nachdem auf der von der Ärztekammer betriebenen Seite "Schützen wir unsere Spitäler" über die Situation im Otto-Wagner-Spital berichtet wurde, gab es Krisengespräche mit der Generaldirektion. Nun müssen Psychiater anderer Abteilungen zusätzlich die betroffene Abteilung in der Nacht betreuen beziehungsweise die Assistenzärzte unterstützen. Dass die Nachtdienste nicht durchgehend besetzt werden können, hat mit der seit Juli gültigen 48-Stunden-Woche für Ärzte zu tun, aber nicht nur. Denn gerade in der Psychiatrie gibt es österreichweit einen Fachärztemangel, der nicht erst seit diesem Jahr akut ist. Doch dadurch hat sich die Situation noch einmal verschärft.

Psychiatrischer Masterplan

Für den KAV ist der allgemeine Psychiatermangel ausschlaggebend. Um gegenzusteuern, soll es ab Jänner 2016 eine Psychiatriezulage geben. Intern gilt das als Bonus, wenn Fachärzte für mehr als eine Station zuständig sind.

STANDARD-Informationen zufolge ist die Gerontopsychiatrie bereits seit Sommer geschlossen, mindestens zwei Psychiater sollen gekündigt haben, neu ausgeschrieben wurden die Stellen aber nicht. Intern spricht man von "massiven Problemen", die kaum bewältigbar seien. Laut KAV würden Krankenanstaltenverbund und der Psychosoziale Dienst (PSD) gerade "gemeinsam Details zu einem psychiatrischen Masterplan" erarbeiten.

Die 48-Stunden-Woche für Ärzte gilt seit Juli in den Wiener Gemeindespitälern. In anderen Krankenhäusern gab es für Ärzte die Möglichkeit eines Opt-outs, also freiwillig mehr als erlaubt zu arbeiten. Der KAV wollte durch Umstrukturierungen im Betrieb die Diensträder weiter besetzen. Doch mit Monatsende ist auch der Durchrechnungszeitraum aufgebraucht, Überstunden sind bis dahin nicht mehr möglich. (Marie-Theres Egyed, 7.12.2015)