Schätzungen zufolge gibt es noch zwischen 38.000 und 52.000 Asiatische Elefanten. Da ihre Lebensräume fragmentiert werden, bleiben ihnen immer öfter nur Naturschutzgebiete.

Wien – Im Dezember ist die Gefahr am größten. Die Bauern in der zentralnepalesischen Region Narayani, nahe der Grenze zu Indien, haben vor wenigen Wochen die Reisernte eingebracht, nun liegt das kostbare Gut in den Scheunen neben ihren Häusern. Sicher lagert es dort aber nicht. Nur wenige Kilometer entfernt, im Chitwan-Nationalpark, lauern Diebe. Die Übeltäter sind bis zu fünf Tonnen schwer und kaum zu stoppen. Wenn er Hunger hat, fackelt Elephas maximus nicht lange.

Schätzungen zufolge gibt es noch zwischen 38.000 und 52.000 wildlebende Asiatische Elefanten. Die Tiere sind bedroht. Ihre Lebensräume werden zunehmend fragmentiert, Wälder gerodet und in Agrarland umgewandelt. Gleichzeitig wächst die menschliche Bevölkerung und beansprucht immer mehr Fläche, den Elefanten bleiben oft nur Naturschutzgebiete wie der Chitwan-Nationalpark. Doch mit Eingrenzungen haben die Dickhäuter so ihre Probleme. Warum mühsam im Wald nach Futter suchen, wenn man's reichlich direkt nebenan holen kann?

"Elefanten verfügen über einen sehr guten Geruchssinn", sagt der indische Biologe Vivek Thuppil. Sie bekommen buchstäblich Wind davon, wenn die Feldfrüchte reif sind. Zäune halten die Riesen oft nicht auf – auch nicht, wenn diese unter Strom stehen. Die Elefanten versuchen, die Barrieren mit ihren Stoßzähnen zu zerstören, berichtet Thuppil. "Und nehmen dabei einiges an Mühe auf sich."

Tote Bäume als Werkzeug

Manchmal nutzen die Vierbeiner sogar tote Baumstämme als Brachialwerkzeug. Sind sie einmal in die Felder gelangt, entstehen schnell gewaltige Schäden. Mitunter verlieren betroffene Bauern praktisch ihre gesamte Ernte. Noch übler wird es, wenn Elefanten in Dörfer eindringen und Höfe plündern. Dann sind nicht selten Tote zu beklagen.

In den Randzonen des Chitwan- Nationalparks scheint die Häufigkeit von Auseinandersetzungen zwischen Menschen und Rüsseltieren zuzunehmen. Ein solcher Trend wird auch aus Indien gemeldet, wo jährlich zirka 400 Personen sowie etwa 100 Elefanten bei derartigen Konfrontationen ihr Leben lassen. Bei den Ursachen zeigen sich allerdings einige interessante Details. Einer aktuell publizierten Erhebung zufolge gibt es, zumindest in Zentralnepal, unterschiedliche Typen von Konflikten (vgl.: Oryx, Online-Vorabveröffentlichung).

Zum einen sind da die Überfälle auf Felder, verübt durch Elefantenherden. Sie finden normalerweise während der saisonalen Wanderungen der Tiere statt und sind eher zufälliger Natur. Es gibt gleichwohl auch Dickhäuter, die den Diebstahl als festen Bestandteil ihrer Ernährungsstrategie praktizieren. Fast immer sind dies Elefantenbullen, alleine oder in kleinen Banden. Solche Marodeure fallen mitunter auch in Siedlungen ein. Sie gewöhnen sich daran, Risiken einzugehen, und werden bald zu echten "Problemelefanten". Manchmal ist es übrigens nicht Futter, sondern eine brunftige, zahme Elefantenkuh, die liebestolle Artgenossen ins Dorf lockt. Höchste Alarmstufe.

Selbstverständlich haben Experten schon mehrere Abwehrmethoden getestet – mit wechselhaftem Erfolg. Die bereits erwähnten Zäune halten den Übergriffen oft nicht dauerhaft stand. Effektiver sind spezielle Gräben mit steilen Kanten. Deren Lebensdauer ist aber in feuchten, regenreichen Gebieten ebenfalls begrenzt. Verschlammung und Erosion machen sie bald passierbar. Im Marschland, zum Schutz von Reisfeldern, ist ihre Errichtung gar unmöglich.

Vivek Thuppil und sein Kollege Richard Coss verfolgen einen anderen Ansatz. Die im Auftrag der University of California, Davis, tätigen Forscher haben die Wirkung von Raubtiergeräuschen zum Verscheuchen von Elefanten untersucht. Bei ihren in Südindien durchgeführten Experimenten verwendeten die Wissenschafter einen handelsüblichen MP3-Player, gekoppelt an einen Verstärker und einen Lautsprecher mit 105 Dezibel Spitzenleistung.

Infrarot-Auslöser

Abgespielt wurden Aufnahmen von brüllenden Löwen, Tigern und Leoparden, aber auch von schreienden Menschen. Ein im Gelände aufgestelltes Infrarotlichtsystem diente als Auslöser. Sobald sich ein hungriger Dickhäuter den Feldern näherte und den Strahl durchbrach, trat die Anlage in Aktion.

Die Studie hat einige hoffnungsvolle Ergebnisse erbracht. Akustisch drohende Raubkatzen beeindrucken Elefanten offenbar viel mehr als Menschengeschrei. Zwar ließen sich die Rüsseltiere bei der ersten Konfrontation fast immer von allen abgespielten Geräuschen abschrecken, doch diese Wirkung hielt nicht unbedingt lange an. Mitunter ignorierten die vierbeinigen Diebe menschlichen Lärm schon nach wenigen Versuchen. Bei vermeintlichen Raubtieren, vor allem Tigergebrüll, wurde länger gezögert, aber auch hier setzte mit der Zeit meist ein Gewöhnungseffekt ein.

Viel besser funktionierte dagegen die Abschreckung in einem der Versuche mit Leopardengeräuschen. Hier schützte man ein Feld nicht nur mittels Beschallung, sondern auch durch einen Elektrozaun. Letzterer war vorher mehrfach durchbrochen worden. Nun jedoch wichen die Elefanten vor ihm zurück. Sogar ein großer, erfahrener Bulle, der sich wenige Kilometer weiter gar nicht mehr von abgespieltem Tigergebrüll hatte stören lassen, kehrte um.

Leoparden stellen für die Dickhäuter eigentlich keine ernsthafte Bedrohung dar, sagt Thuppil. Die Geräusche der gefleckten Raubkatzen veranlassen sie nur zur erhöhten Wachsamkeit. In Kombination mit Stromstößen scheint das Stressniveau dagegen zu hoch zu werden. Am besten sei es wohl, Tigergebrüll mit Elektrozäunen zu verbinden, meint Thuppil. "Das könnte eine dauerhafte Lösung sein." Der praktische Einsatz wird zurzeit in Indien erprobt. (Kurt de Swaaf, 10.12.2015)