Sie haben alle Spuren beseitigt: Das gewaltige Wrack eines Raumschiffs mit seiner silbriggrauen Hülle, das am Rande eines ausgetrockneten Salzsees bruchgelandet ist, wurde wieder demontiert, die Hütten in der Nachbarschaft wurden abgetragen und die futuristischen Sandgleiter mit Anti-Gravitations-Antrieb eingepackt. Erst wurde alles in großen Zelten verstaut, dann mit Lastwagen davongeschafft.

Sie haben die Roboter R2-D2, C3-PO und die kugelige rotweiße Neuentwicklung BB-8 wieder mitgenommen, die Uniformen der imperialen Stormtrooper sauber verpackt und den geheimnisumwitterten Sandplaneten Jakku in den Outer Rim Territories des Alderan-Sternensystems wieder verlassen – so still, wie sie gekommen waren. So heimlich, dass kaum einer etwas davon mitbekommen hat – nicht hier in der Wüste Abu Dhabis ganz in der Nähe der Grenze zu Saudi-Arabien und nicht anderswo im Universum.

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Ziemlich viel Action in der Wüste: Rey (Daisey Ridley) und Finn (John Boyega) laufen im neuen "Star Wars"-Film "The Force Awakens" um ihr Leben. In der Mitte die kugelige Neuentwicklung BB-8.
Foto: AP/David James/Disney/Lucasfilm via AP

Ein paar Wochen lang haben die mehr als hundert Meter hohen rotbraunen Dünen der Rub al-Khali und die staubtrockenen grauen Salzseen den Sandplaneten Jakku gedoubelt, als gut 200 Kilometer südlich der Stadt Abu Dhabi viele Szenen für den neuen Star Wars-Kinofilm Das Erwachen der Macht gedreht wurden. Geblieben sind die Fahrspuren auf der Kruste des Salzsees. Und geblieben sind auch die Reste der über zwei Kilometer langen Straße ins Nirgendwo, die für die schweren Fahrzeuge der Kulissenbauer in nur zehn Tagen ins Nichts planiert wurde und die sich jetzt der Sand zurückholt. Schon bald wird der Wind die Wüste wieder darübergeschoben haben, als wäre die Piste der Filmleute nie da gewesen.

Für Abu Dhabi ist es ein Volltreffer, dass die Leute aus Hollywood nicht weit vom luxuriösen Wüstenhotel Qasr al-Sarab gedreht haben. Weil es die Bilder dieser rotbraunen Dünen in alle Welt tragen wird, auf zehntausende Kinoleinwände rund um den Globus. Und weil es keine bessere Tourismuswerbung gibt als ein Filmprojekt von diesem Kaliber.

Foto: Helge Sobik

Weltweit sind es Studien zufolge 100 Millionen Reisen im Jahr, die durchs Kino motiviert sind. Menschen lieben es, ihren Stars nachzureisen – ob an die realen Drehorte oder an die Spielstätten der Handlung. Ob bei einem Klassiker wie Der dritte Mann nach Wien oder bei Pretty Woman nach Beverly Hills – oder bei einer Premiere wie von Star Wars.

Am 14. Dezember feiert diese siebente Folge der Sternenkrieger-Saga Uraufführung in den USA, am 17. Dezember kommt sie in die Kinos im deutschsprachigen Raum. Und der Hype im Internet ist längst völlig entfesselt: Mehr als 100 Millionen Mal wurde der neueste Trailer auf Youtube angeklickt – allein binnen der ersten 24 Stunden, die er dort abrufbar war.

Ein neuer Wüstenplanet

Warum sich die Leute um Star Wars-Erfinder George Lucas, Regisseur J. J. Abrams und Produzent Disney für diese Wüste, für Abu Dhabi entschieden haben, obwohl bislang in Tunesien gedreht wurde? Weil es anders aussehen sollte als auf dem bisherigen Sandplaneten Tatooine. Weil Jakku ein neuer Planet im Star Wars-Universum ist. Weil diese Wüste mit ihren hohen Dünen so unfassbar schön ist, so ehrfurchteinflößend. Weil bis weit hinter den Horizont nichts als Sand kommt. Weil die Infrastruktur dennoch bestens ist, es das Hotel mitten im sandigen Nichts ebenso gibt wie die Straße dorthin. Weil Abu Dhabi sicher ist. Und nicht zuletzt, weil die Filmförderungsbehörde des Emirats jedem, der hier dreht, dreißig Prozent der Produktionskosten erstattet.

Das Hotel Qasr al-Sarab diente als Mannschaftsquartier für die "Star Wars"-Filmcrew.
Foto: Helge Sobik

Wie das so war mit den Stars, mit Daisy Ridley als Sandplaneten-Kriegerin Rey, mit John Boyega als Stormtrooper Finn oder mit Mark Hamill als Luke Skywalker, Carrie Fisher als Prinzessin Leia und Harrison Ford als Han Solo? Ob sie nach den Drehs im Pool mit Dünenblick plantschten? Was ihre Lieblingsplätze im Open-Air-Restaurant unter diesem unfassbaren Sternenhimmel waren, wenn abends endlich alle Raumschiffe geparkt, die Kostüme in der Garderobe abgegeben und die Kameras ausgeschaltet waren?

m Hotel Qasr al-Sarab ist die Antwort auf all die Fragen bloß ein sehr freundliches Lächeln – egal an wen man sich wendet. Dabei ist es längst offenes Geheimnis, dass die Hollywood-Crew über Wochen hier einquartiert war – so wie kurz zuvor und kurz darauf die Teams gleich dreier indischer Bollywood-Erfolgsproduktionen, die noch vor Star Wars in die Kinos kommen. Aber größte Diskretion ist Trumpf. Für alles Außerirdische gilt bis auf weiteres ein Schweigegelübde rund um den Drehort.

Ans Ende des Universums

Als Paul Baker zum Sandplaneten Jakku durchstartete, brauchte er keinen X-Wing Fighter, keinen Millennium Falcon, auch kein anderes Raumschiff. Ihm reichte für die Reise ans Ende des bekannten Universums sein in die Jahre gekommener weißer Peugeot. Etwas mehr als zwei Stunden war er jedes Mal von seinem Büro in der Stadt Abu Dhabi bis an den Drehort unterwegs. Heute lacht er darüber.

"Über Star Wars", da ist Baker sich sicher, "spricht man auch in einer Generation noch. Und über die Drehorte! Wissen Sie", sagt er, "das hier ist das Land der arabischen Geschichtenerzähler. Seit Jahrhunderten haben sie ihre Märchen am Lagerfeuer weitergegeben. Das wollen wir am Leben erhalten, auf diesen Traditionen aufbauen – und wir wissen, dass das Lagerfeuer von heute der Kinosaal ist."

Die Salzseen in der Umgebung waren Ornamente des Filmplaneten.
Foto: Helge Sobik

Baker hat jahrelang in Hollywood gelebt, für die großen Studios gearbeitet, leitet jetzt das Filmförderungsbüro in Abu Dhabi. Er hat Krieg der Sterne an Land gezogen – wie zuvor schon Das Bourne Vermächtnis mit Jeremy Renner. Darin doubelte ein in die Jahre gekommener Innenstadt-Straßenzug Karachi. Und für Fast & Furious 7 mit Vin Diesel und Paul Walker waren es die futuristischen Wolkenkratzer der Etihad Towers, aus deren Fensterfront die Helden mit einem Sportwagen in luftiger Höhe am Turm des Jumeirah-Hotels vorbei über dutzende Meter flogen und in ein Geschoß des gegenüberliegenden Towers krachten, um dort noch ein bisschen umherzubrausen und alles wohlbehalten zu überstehen. Und jetzt dreht gerade Brad Pitt in Abu Dhabi für einen Actionfilm mit dem Arbeitstitel War Machine.

Was aus den eingelagerten Kulissen vom Sandplaneten Jakku werden soll? Inoffiziell werden sie eines Tages in der Nähe von Abu Dhabi-Stadt wiederaufgestellt – als Touristenattraktion. Offiziell gibt es dazu nur ein tiefes Atemgeräusch, ein rasselndes Fauchen wie aus Darth Vaders Helm: "Kein Kommentar. Noch nicht", sagt Baker. (Helge Sobik, Rondo, 10.12.2015)