Die EU hatte im Vorfeld der Klimakonferenz in Paris zu Recht auf deren große Bedeutung für die raschere Erreichung kohlenstoffärmerer Wirtschaftssysteme hingewiesen. Und sie erneuerte ihre Selbstverpflichtung, bis 2030 die EU-internen Treibhausgasemissionen um mindestens vierzig Prozent gegenüber 1990 zu senken. Gleichzeitig bemüht sich die EU, die mit knapp elf Prozent der weltweiten CO2-Emissionen der drittgrößte Emittent ist, die anderen Staaten zu verbindlichen Klimaschutzzusagen in Paris zu bewegen.

Für die Erreichung ihrer selbstgesetzten Klimaziele stehen der EU mehrere Hebel zur Verfügung. Obwohl sie sich bereits 2001 einer Nachhaltigkeitsstrategie verpflichtet hat, die auf die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in sämtlichen Politikbereichen abzielt, werden diese Hebel nur unzureichend genutzt.

· Erster Hebel – das EU-Budget: Nach wie vor dominiert eine Agrarpolitik, die überwiegend nicht-nachhaltige Produktionsstrukturen stützt und sich zu langsam in Richtung nachhaltiger Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raums umorientiert. Auch die Kohäsionspolitik, der zweite große Brocken innerhalb der EU-Ausgaben, wird zu wenig an Klimaschutzziele gekoppelt. Gleichzeitig steigt der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung nur langsam: Im aktuellen EU-Budget hat er auf gut zehn Prozent zugenommen, allerdings ist weniger als ein Zehntel der Mittel im aktuellen Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 "grünen" Forschungsthemen gewidmet. Das Eigenmittelsystem der EU, das die EU-Ausgaben finanziert, leistet keinerlei Beitrag zur Nachhaltigkeit. Dabei gäbe es Umweltsteuern, die als EU-Steuern effektiver durchgesetzt werden könnten als bei nationaler Erhebung und die EU-Ausgaben mitfinanzieren könnten: Geeignete Optionen, etwa eine EU-weite CO2-Steuer, Kerosinsteuer oder Flugticketabgabe, erarbeitet derzeit unser EU-Projekt "FairTax".

· Zweiter Hebel – der Juncker-Plan: Gemäß Förderrichtlinien sollen primär (öffentliche wie private) Investitionsprojekte mit dem Schwerpunkt Transport- und Kommunikationsinfrastruktur, Forschung und Entwicklung, (Aus-)Bildung und KMUs durch den Europäischen Fonds für Strategische Investitionen (EFSI) unterstützt werden. Das schließt zwar nachhaltigkeitsfördernde Investitionen nicht aus. Allerdings hat der EFSI keinen besonderen Fokus auf Projekte, die einen sozioökologischen Umbau fördern, wie Investitionen in "grüne" Forschung und Entwicklung, Erneuerbare oder Energieeffizienz. Zudem lässt der Fiskalpakt zu wenig Spielraum für nachhaltigkeitsförderliche öffentliche Investitionen, da die sogenannte Flexibilitätsklausel sehr restriktiv formuliert ist. Dies beschränkt die Möglichkeiten, mithilfe des EFSI die seit Ausbruch der Krise deutlich zurückgegangene öffentliche Investitionstätigkeit zu forcieren.

· Dritter Hebel – die EU-Steuerpolitik: Neben EU-Steuern gäbe es weiteren Spielraum zur nachhaltigeren Gestaltung der Steuerstrukturen in den EU-Mitgliedsländern, der jedoch zu wenig ausgeschöpft wird. Seit langem überfällig ist eine Anpassung der Energiesteuerrichtlinie, die für an ihrer Emissionsintensität orientierte Steuersätze auf fossile Energieträger sowie für deren regelmäßige Anpassung an die Inflation sorgen müsste. Auch richtet die jährliche Bewertung der Steuersysteme der Mitgliedsstaaten im Rahmen des Europäischen Semesters einen starken Fokus auf deren Wachstumsverträglichkeit und fiskalische Nachhaltigkeit. Die ökologische Nachhaltigkeit ist demgegenüber als Bewertungskriterium nachrangig.

· Vierter Hebel – das Emissionshandelssystem: Der derzeit bei weitem zu niedrige CO2-Preis setzt keine Anreize, in den Einsatz kohlenstoffarmer Technologien zu investieren. Mit den bisher umgesetzten beziehungsweise vorgeschlagenen Reformschritten ist nur eine langsame Erhöhung des CO2-Preises zu erwarten.

Die Nutzung dieser Hebel erbrächte mehrfache Dividenden über die Stärkung der ökologischen Nachhaltigkeit hinaus. Eine stärkere Förderung von "grünen" Investitionen würde die Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedsländer stärken. EU-Steuern als bedeutende Finanzierungsquelle für die EU-Ausgaben würden es ermöglichen, die nationalen Finanzierungsbeiträge zum EU-Budget zu reduzieren. Dies wiederum würde für die nationalen Regierungen Spielräume schaffen, andere Steuern mit negativen Rückwirkungen auf Beschäftigung und Wachstum zu senken. Ein Teil der Einnahmen aus EU-Steuern könnte – ebenso wie ein Teil der Einnahmen aus dem Emissionshandel – den geplanten weltweiten Klimafonds im Umfang von 100 Milliarden US-Dollar zur Bekämpfung der globalen Erwärmung und zur Unterstützung weniger entwickelter Länder bei der Anpassung an den Klimawandel speisen. Schließlich ist ein intensives Engagement der EU in einer weltweiten Klimapolitik auch aufgrund des immer sichtbarer werdenden Zusammenhangs zwischen dem voranschreitenden Klimawandel und globalen Migrationsströmen unabdingbar. (Margit Schratzenstaller, 10.12.2015)