Amerikaner, bewaffnet euch! Es ist egal, ob mit einer Pistole, einer Schnellfeuerwaffe oder einem größeren Gewehr – Hauptsache mit einer Waffe, mit der Sie umgehen können. Versuchen Sie das!" Diesen Appell richtete Moderatorin Jeanine Pirro im Hauptabendprogramm von Fox an die Zuschauer – und der Aufruf wurde gleich mehrfach wiederholt neben anderen, ähnlichen Ratschlägen, die auch von der US-Waffenlobby hätten stammen können. Der von zwei islamistischen Fanatikern im kalifornischen San Bernardino begangene Terroranschlag hat in den USA eine Debatte ausgelöst, die für Beobachter aus Europa mehr als befremdlich wirkt.

Medienberichte zum Schämen

Gleiches gilt für die Medienberichterstattung: Mehrere Sender, darunter CNN, sind ins eigentlich versiegelte Apartment der beiden mutmaßlichen Attentäter eingedrungen. Die TV-Anstalten schalteten live dorthin, Reporter waren dabei zu beobachten, wie sie das Babybett, den Kleiderschrank und Fotoalben der beiden Attentäter durchwühlten. Es war eine Entgleisung, bei der alle Hemmungen zu fallen schienen und die Fremdschämen auslöste.

Das mit 14 Toten schlimmste Attentat nach 9/11 auf amerikanischem Boden führte dazu, dass auch im politischen Bereich Dämme brachen: Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump rief dazu auf, Muslimen die Einreise in die USA zu verbieten. Selbst wenn sie US-Staatsbürger seien und sich außerhalb des Landes befänden, sollte ihnen die Rückkehr verweigert werden, legten seine Berater nach. Trumps Aussagen lösten neben Empörung auch Zustimmung aus, wie jüngste Umfragen zeigen. Die demokratische Kandidatin Hillary Clinton forderte als Konsequenz Wege, um das Internet sperren zu können. Selbst das hohe Gut Meinungsfreiheit wird infrage gestellt.

Es reicht schon die Auswahl von Speisen im Flugzeug, ein arabisch klingender Name oder das Tragen eines Kopftuches, um auf eine schwarze Liste zu kommen. Indem Trump alle Muslime pauschal zu Feinden erklärt, spielt er islamistischen Gruppierungen und Terrormilizen wie dem IS in die Hände, die ihrerseits den Westen zum Feindbild erkoren haben. Durch die Debatte in den USA können sie sich bestätigt fühlen.

Umfragewert im Fokus

Darin liegt auch die Gefahr der jüngsten Vorstöße von Sebastian Kurz. Der für Integration zuständige Minister führt nicht zusammen, sondern spaltet. Damit macht Kurz viel von seiner Reputation kaputt, die er während seiner Zeit als Staatssekretär aufgebaut hat. Damals schien er am Thema interessiert, jetzt sind es seine Umfragewerte und seine politische Karriere.

Dass genauer hingeschaut werden muss, was in islamischen Kindergärten vor sich geht, ist richtig. Aber mit einer solchen Vorstudie, die auf einer zahlenmäßig dürftigen Basis beruht, bedient man allenfalls Vorurteile und schafft keine Basis für fundierte Urteile. Außer die Absicht war nicht Kontrolle, sondern etwas anderes – nach dem Motto: Es wird schon etwas hängenbleiben. Dem ÖVP-Minister ist es auf jeden Fall gelungen, Politiker im roten Wien zu ärgern.

Wenngleich Trump sehr viel extremere Positionen vertritt und Kurz außerdem noch geschickter argumentiert: Der Integrationsminister hat in letzter Zeit eine Art Populismus light entwickelt, der Misstrauen sät und eine Stimmung anheizt, die dazu führt, dass Muslime unter Generalverdacht gestellt werden. (Alexandra Föderl-Schmid, 11.12.2015)