Was sich derzeit zwischen der Türkei, Irakisch-Kurdistan und dem Irak abspielt, scheint aus einem Lehrbuch für Eskalation zu stammen: Da werden fast nonchalant neue Konfliktebenen eingezogen, Akteure, die deklarieren, alle nur ein Ziel zu verfolgen – den "Islamischen Staat" (IS) zu schlagen -, stellen die Weichen für neue Konfrontationen untereinander.

Ankara hat mit der Billigung des kurdischen Präsidenten Massud Barzani Schritte gesetzt, sich eine militärische Basis im Nordirak, nahe der Stadt Mossul – deren Verlust vor neunzig Jahren die moderne Türkei lange nicht verwunden hat – aufzubauen. Sowohl dem türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan als auch Barzani musste völlig klar sein, dass sich der irakische Premier Haidar al-Abadi politisch nicht leisten kann, das hinzunehmen. Abadi ist bereits unter großem Druck der iranfreundlichen schiitischen Milizen, die in die Politik drängen. Wenn er stürzt und radikale Schiiten in Bagdad die Macht übernehmen, wird das eine sunnitisch-schiitische Normalisierung im Irak auf lange Zeit, wenn nicht auf immer, unmöglich machen.

Obwohl seit Tagen heftig verhandelt und vermittelt wird, hat nun Abadi den Uno-Sicherheitsrat angerufen. Er ist im Recht, trotzdem bleibt die Position Bagdads schwach: Türkische Souveränitätsverletzungen gibt es seit Jahrzehnten, und die Iraner hat man gleich selbst ins Land gerufen. Und ach ja, ein paar Amerikaner gibt es auch noch. (Gudrun Harrer, 13.12.2015)