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Der Internationale Währungsfonds ortet zahlreiche Baustellen in Österreich.

Foto: Reuters/Halada

Alle Jahre wieder kommt nicht nur der Weihnachtsmann nach Österreich, sondern auch die Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF). Im Rahmen der Artikel-IV-Konsultationen prüfen die Ökonomen aus Washington die heimische Wirtschaftsentwicklung.

Am Montag gaben sie ihre Reformempfehlungen für Österreich ab. Viele der Vorschläge sind aus Sicht der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP heikel, weil sie den eigenen Positionen widersprechen. Ein Überblick über die vier großen Baustellen, die der IWF in Österreich zu erkennen glaubt:

  • Der Währungsfonds empfiehlt Österreich dringend seine Staatsschulden zu senken – und zwar von aktuell 85 Prozent der Wirtschaftsleistung auf 60 Prozent. Um das zu erreichen, müsste der Staat ab 2020 einen strukturellen Budgetüberschuss in Höhe von 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung erwirtschaften, wie der für Österreich zuständige IWF-Ökonom Nikolay Gueorguiev am Montag schilderte. Bei der strukturellen Berechnung werden konjunkturelle Schwankungen und Einmaleffekte (Bankenhilfen) herausgerechnet.

    Der Weg zu einem Überschuss wäre trotzdem lang aus heimischer Sicht. Österreich meldet traditionell Budgetdefizite nach Brüssel, und auch für das kommende Jahr ist ein kleines strukturelles Defizit angepeilt.

    Um die hohen Einsparungsziele zu erreichen, fordert der Fonds vor allem Ausgabenkürzungen im Bildungs- und Gesundheitssektor sowie bei Pensionen und Förderungen. Was Gueorguiev etwa bei der Bildung vorschwebt, konnte er auch auf Nachfrage nicht präzisieren. Er sprach nur allgemein davon, dass Österreich im Vergleich mit anderen Industrieländern viel ausgibt, während die Resultate, Stichwort Pisatest, nicht unbedingt besser sind.

    Bei Gesundheitsausgaben empfiehlt der Fonds, die Zahl der Krankenbetten pro Kopf zu reduzieren. Bei den Pensionen bestehe ebenfalls dringender Handlungsbedarf. So sollte die schrittweise Anhebung des Pensionsantrittsalters für Frauen von 60 Jahren bereits vor 2024 beginnen.
  • Eine Baustelle bleibt das Steuersystem. Die Steuerreform 2016 gehe zwar in die richtige Richtung, der Faktor Arbeit müsse aber weiter entlastet werden. Insbesondere die Beiträge für Sozialversicherung müssten "substanziell" reduziert werden, so der Fonds. Der IWF plädiert im Gegenzug für eine Anhebung der Vermögenssteuern, die in Österreich deutlich unter dem EU-Vergleich liegen.

  • Die dritte große Baustelle betrifft die Integration der Flüchtlinge. Zunächst die gute Nachricht: Die Flüchtlingskrise wird laut IWF das Wachstum ankurbeln. So soll das jährliche Wirtschaftswachstum im Jahr 2020 um geschätzte 0,25 Prozentpunkte höher liegen, als dies ohne die zusätzlichen Einwanderer der Fall wäre. Der IWF hat für seine Berechnungen angenommen, dass 2015 und 2016 jeweils 80.000 bis 90.000 Asylwerber ins Land kommen. Hinzu kommen nochmal pro Jahr 50.000 sonstige Migranten.

    Die Einwanderung wird die Kosten für das Pensions- und für das Gesundheitssystem senken, und zwar in Höhe von ebenfalls 0,25 Prozent des BIP. Wobei diese Annahmen laut Gueorguiev "konservativ" sind, die wirtschaftlichen Vorteile und die Kostenersparnis könnte höher ausfallen.

    Basis für solch optimistische Annahmen – und hier liegt die Herausforderung – ist laut Währungsfonds, dass die Asylwerber rasch in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Denn dann leisten die meist jungen Menschen hohe Beiträge fürs Sozialsystem.

    An dieser Stelle ortet der Fonds aber Handlungsbedarf. Je länger die Integration in den Arbeitsmarkt dauere, umso schwerer werde die Aufgabe. So verlieren Flüchtlinge mit der Zeit Fähigkeiten. Deshalb müsse die Regierung den Prozess beschleunigen und die Hürden für Asylwerber beim Arbeitsmarktzugang abbauen, sagte Gueorguiev. Österreich hat tatsächlich eines der rigidesten Systeme in der EU – Asylwerber können aktuell nur als Erntehelfer oder als Hilfskräfte im Tourismus arbeiten.
  • Handlungsbedarf ortet der Fonds schließlich im Bankensektor wegen der Frankenkredite. Auf 26 Milliarden Euro belaufen sich die Frankenschulden der Haushalte in Österreich. Das Problem dabei liegt in der Art der Tilgung: Frankenkredite sind meist endfällig, das heißt, Schuldner müssen während der Laufzeit ihres Darlehens nur Zinsen zahlen. Zugleich sparen sie in einem Tilgungsträger an, meist eine Lebensversicherung. Am Ende der Laufzeit soll mit diesem Träger der Kredit abbezahlt werden.

    Doch hier klafft eine gewaltige Lücke: Aktuell sind die Tilgungsträger um rund sechs Milliarden Euro weniger wert als die Summe der ausständigen Kredite. Ab 2019, wenn große Rückzahlungen anstehen, wird das Problem in den Bankbilanzen virulent.

    Gueorguiev empfiehlt deshalb den Druck auf die Banken zu erhöhen, damit sie endfällige Kredite umstellen. Kunden sollen nicht nur Zinsen bezahlen, sondern auch die Darlehen laufend tilgen. Damit würde vermieden werden, dass ab 2019 Schuldner massenhaft in finanzielle Probleme geraten. Bei der Oesterreichischen Notenbank stoßen diese Empfehlungen auf offene Ohren. Dort wird bereits überlegt, einen Schritt weiter zu gehen. Im Gespräch ist laut STANDARD-Informationen etwa, den Banken höhere Eigenkapitalreserven für Frankendarlehen mit Tilgungsträgern zu verordnen. (András Szigetvari, 14.12.2015)