Ums Eck hat ein türkischer Supermarkt aufgemacht, ein Standort, an dem nacheinander Filialen der echt österreichischen und deutschen Ketten und Konzerne eingegangen sind. Als es keine Wurstabteilung mehr gab, sind ihnen auch noch die Kasleberkassemmel-kaufenden Kids der nahen Schulen abhandengekommen.

Zögernd betrete ich die umgevolkten Verkaufshallen. Gerade im Winter kann etwas Ostanatolien nicht schaden, Kämpfe zwischen Türken und Kurden wird es schon nicht geben vor den Turkish-Delight-Türmen. Was ich dann sehe, haut mich aber fast um: So viel Parallelgesellschaft erwartet man auch wieder nicht. Zwar tönt aus dem Lautsprecher nicht der Koranrezitator und leider auch kein Gedicht von Yunus Emre, sondern, bestimmt in hinterlistiger Absicht, Popmusik. Dafür gibt es eine Obst- und Gemüseabteilung, in der sich von duftenden Quitten bis zu knackigem Spinat alles findet, was ... der Türke hergibt und der Österreicher eben nicht, dessen Supermärkte oft Ware anbieten, die in der Türkei in die Schweinetröge käme, wenn sie denn dort welche hätten.

Konterattacke: Es wird fest gekauft. Vollbepackt schreite ich zur Kasse, wo mich eine junge Frau mit kunstvoll aufgetürmtem Kopftuch anlächelt. "Brauchst a Sackerl?", fragt sie am Ende der Transaktion. Früher hat die türkische Jugend den Alten die Hände geküsst. Heute: Willkommen bei Ikea. Parallelwelt, sag ich doch. (Gudrun Harrer, 15.12.2015)