Drei Figuren versuchen in Constanze Ruhms "My_Never_Ending_Burial_Plot" mit ihrer Vergangenheit abzuschließen. Foto: Lukas Heistinger

Foto: Lukas Heistinger

St. Pölten – Eine Kamera schwebt in aller Stille durch einen computergenerierten Raum, dreht und wendet sich. Auf den ersten Blick könnte man die Arbeit Apartment der Künstlerin Constanze Ruhm für eine Architekturvisualisierung halten. Es handelt sich allerdings um eine Filmstudie. Der sterile Wohnraum in 3-D ist nämlich jenem Schauplatz nachempfunden, an dem in Le Mépris von Jean-Luc Godard ein Paar seine Beziehungsprobleme verhandelt. Der Witz an Ruhms Apartment ist: Sie versetzt an die Stelle der weiblichen Figur.

Entstanden 1998, ist Apartment nicht nur die älteste Arbeit in der Ausstellung Re: Rehearsals (No Such Thing As Repetition), sondern auch ein verhältnismäßig sanfter Einstieg in den Kosmos der 1962 geborenen Filmemacherin. Dieser präsentiert sich nämlich als ausgewachsener Dschungel an Referenzen.

"Räumliches Dispositiv" statt Ausstellungsarchitektur

Es geht quer durch die jüngere Geistes- und Kulturgeschichte: Ihren Brecht hat sie gelesen, ihren Lacan, ihren Derrida, Foucault sowieso. Deshalb wird die Ausstellungsarchitektur auch nicht einfach "Ausstellungsarchitektur", genannt, sondern "räumliches Dispositiv".

So steht es im 44-seitigen Handbuch zur Schau, ohne das man hier wohl einiges übersehen würde. Etwa dass das Raumdesign zwei übereinanderliegenden Spulen eines 16-mm-Projektors Projektors nachempfunden ist. "Sie verkörpern mögliche Formen der Vergangenheit wie auch der Zukunft und eröffnen Räume" für die Kunst, erfährt der Lesende im Katalog. Dort erfährt er, wenn er noch mehr über Apartment erfahren will: dass hier eine "Verschachtelung von Blickintentionen, eine von vornherein programmierte Koalition von realem Blick und animativ inszenierter Sehinszenierung" gemeint ist, bei der "dem Betrachter die Rolle der Blickinterpretin zufällt".

Sinnlich trotz Verkopftheit

Ja, wer zu viel im Handbuch liest, weiß irgendwann nicht mehr, ob nun der Text oder der Kopf schwurbelt. Das Schöne ist allerdings: Bei aller Verkopftheit sind Ruhms Filme über das Filmemachen sinnlich, ja niedrigschwellig. Auch wer mit Godards Vivre sa vie und dessen Protagonistin Nana nur wenig vertraut ist, wird vieles nachvollziehen können. Etwa wenn Nana in einem Internetcafé, wo sich die Musen per Bussi-Bussi begrüßen, ihrem Chatpartner, einem gewissen "jlgod1962", erklärt, sie habe sich "ihm nur verliehen", und den Regisseur hinter diesem Nicknamen fragt, warum sie sterben musste.

X Nana / Subroutine ist ein Spin-off des Werkkomplexes X Characters / Re(hers)al, der im Landesmuseum Niederösterreich im Mittelpunkt steht. Auch darin steht die Frage nach dem Verhältnis von Schauspiel und Regie, von Körper, Empfindungen und Rolle im Mittelpunkt. In X Characters / Re(hers)al hebt Ruhm acht Charaktere aus ihren Filmen heraus und lässt sie als Reisende im Warteraum eines Flughafens zusammenkommen, um ihre Geschichten neu zu deuten. Der Film spielt sich dabei auf der Metaebene ab: in Chatroomtreffen und etwa bei der Skriptentwicklung.

Freilich: Man muss etwas übrighaben dafür, sich Videos und Filme in einer Ausstellung anzuschauen. Und man muss Zeit mitbringen. Dann aber wird man (zumindest wer das Handbuch weglegt) in einen atmosphärischen Kosmos gesogen, der auch Nichtcineasten viel erzählt. (Roman Gerold, 17.12.2015)