Der wohl bekannteste quattro-Pilot ist bis heute Walter Röhrl, hier auf einer Aufnahme aus dem Jahr 1985.

Foto: Audi

Wie kommt Audi-Promotor Marcel Hirscher in den Verdacht, auf einem Audi Carat den staunenden Kunden moderne Fahrzeugtechnik vorzuführen? Nun, 1980 hatte man Audis Konzernmutter VW den Zungenbrecher Coupé-Allradantrieb-Turbo, kurz: Carat, als verbalen Selbstmordversuch vorgeschlagen – bei der Namenslotterie siegte dann glücklicherweise "quattro".

Wie vieles in der Welt der Technik entwickelte sich auch dieses Audi-Erfolgskonzept aus Zufälligkeiten oder Eingebungen des Augenblicks. Alle vier Räder anzutreiben war seit Jahrzehnten kein Geheimnis. Der große Ferdinand Porsche war der Überzeugung, dass Allrad nur eine feine Sache bei Regen sei. Sein erstes Nachkriegsprojekt, der Cisitalia-Rennwagen 1946/47, verfügte über so einen Antrieb, doch der Einsitzer wollte sich weder im Regen noch im Trockenen halbwegs bewegen.

Ferdinand Piëchs Strategie, Allradantrieb im Pkw über Rallyesporterfolge gesellschaftsfähig zu machen, erwies sich als genialer Schachzug.
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Eigentlich überraschend, denn Allradantrieb war eine Selbstverständlichkeit im eben beendeten Weltkrieg. Die riesigen Fuhrparks der amerikanischen, englischen, aber auch deutschen Armeen wären ohne diese Technik heillos irgendwo stecken geblieben. Dagegen dachte das Rennsportreglement der Nachkriegszeit nur in Heckantriebsdimensionen, egal, ob daraus ein Ferrari, Porsche, Jaguar oder Maserati wurde.

Der Iltis

Der Technikzufall 1977 hieß Iltis. Ferdinand Piëch beschreibt in seiner Biographie, wie dieser hochbeinige Offroader, als Konzept für die deutsche Bundeswehr entwickelt, mit mageren 75 PS dank zugeschaltetem Allradantrieb auf Eis und Schnee PS-starke hauseigene Modelle mit Frontantrieb blamierte.

Der Weg vom Iltis in den großserienmäßigen Audi 80 war dann nicht mehr weit. Die konzeptionellen Gedankengänge für den permanenten Antrieb auf allen vier Rädern waren jedoch neu, und Audi wollte sich damit eine exklusive Alleinstellung nicht nur im Konzern, sondern auch gegenüber der Konkurrenz verschaffen.

Der quattro sollte zum Alleinstellungsmerkmal werden. Die Aufgabe ist gelungen.
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In den Überlegungen war Allrad nicht als Notbehelf für verschneite Bergtäler, sondern als sicherer Partner für den täglichen Gebrauch gedacht. Die Unterbringung der Technik in Mittelklassefahrzeugen brachte Gewichtsprobleme mit sich, weshalb die Verwendung dieses Technikvorsprunges zwangsläufig an kräftige Motoren gekoppelt werden musste, um sinnvolle Verwertung zu garantieren. Das also waren die Kriterien, die im quattro-Geburtsschein stehen. Der Sprung zum Motorsport war nicht mehr weit, doch vorher galt es, die mächtigen Vorstände in Wolfsburg zu überzeugen.

Ketten einpacken

Der erste Schritt erfolgte auf der Turracher Höhe in Kärnten. Der Vertriebsvorstand fuhr den Audi-80-Prototyp den Schneehang mit Sommerreifen hinauf, während daneben Experten einer Schneekettenfirma deprimiert ihre Schätze einpackten. Das war aber erst die halbe Miete. Auf bewässerter Steilpiste gab kurz darauf der Vorstandsvorsitzende nach überzeugendem Eigentest das grüne Licht für die Serienproduktion.

Dieser Urquattro von 1980 war bestückt mit einem 5-Zylinder-Turboaggregat – für damalige Verhältnisse sensationelle 200 PS stark – und fuhr im Rallye-Einsatz alles in Grund und Boden. Die guten Beziehungen zur internationalen Motorsportbehörde hatten eine Reglementadaptierung ermöglicht. Als auf der Monte Carlo Rallye 1981 Hannu Mikkola im Audi quattro den eine Minute vor ihm gestarteten Bernard Darniche auf Lancia Stratos überholte, war der Durchbruch geschafft.

Stig Blomqvist, 1985 im Sportquattro S1.
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Vier Weltmeistertitel wurden in Folge eingefahren, über 11.000 Einheiten der Legende Urquattro fanden begeisterte Kunden. Der Sportquattro mit kürzerem Radstand sollte ab 1984 neue Meilensteine setzen, doch der schwere Motor weit vor der Vorderachse machte den Audi nicht wendiger. 1380 kg, 220 PS aus 2,2 Liter Hubraum und 5-Ganggetriebe klingen toll, doch Walter Röhrl meinte trotz Sieg bei der Monte Carlo Rallye, dieses Konzept wäre nicht das Gelbe vom Ei. Keine große Überraschung, dass nur 213 Fahrzeuge dieses Modells gebaut wurden, allein zehn für den Sultan von Brunei. Des Standard-Autors Fahrerlebnis jedoch – vor zwei Jahren auf der Glockner Hochalpenstraße – war überwältigend, Driftspaß ohne Ende, kein ESP störte.

Heute lebt der Mythos quattro im Luxuskleid. Kultivierter als in Pionierzeiten, steht er doch für ungebrochene Fahrfreude. (Peter Urbanek, 20.12.2015)