Brüssel – Die europäischen Wirtschaftssanktionen gegen Russland werden wegen der unzureichenden Fortschritte im Friedensprozess für die Ukraine um weitere sechs Monate verlängert. Vertreter der 28 EU-Staaten starteten am späten Freitagnachmittag das offizielle Beschlussverfahren. Es gilt als Formalie und soll bereits am Montag abgeschlossen sein.

Die EU hatte die Wirtschaftssanktionen gegen Russland trotz Milliardenverlusten für heimische Unternehmen zuletzt im Sommer bis zum 31. Jänner 2016 verlängert. Gleichzeitig wurde damals beschlossen, die Handels- und Investitionsbeschränkungen erst dann aufzuheben, wenn die Vereinbarungen des Minsker Friedensplans zum Ukraine-Konflikt komplett erfüllt sind. Dies ist nicht der Fall – unter anderem muss die Ukraine erst wieder die Kontrolle über ihre Grenze im Osten bekommen.

Putin soll Separatisten beeinflussen

Mit der Koppelung der Sanktionen an den Friedensplan wollen die EU-Staaten den russischen Präsidenten Wladimir Putin dazu bewegen, seinen Einfluss auf die prorussischen Separatisten in der Ostukraine weiter für eine Beilegung des Konfliktes zu nutzen. Russland hatte aus Sicht seiner Kritiker die Separatisten im Bürgerkrieg auch mit Soldaten und Waffenlieferungen unterstützt.

Die russische Führung hat zunächst gelassen auf die Verlängerung reagiert. "Die Entscheidung war zu erwarten, wir bekamen nichts Neues zu hören", sagte Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew nach Agenturberichten am Freitagabend. Uljukajew betonte, dass sich die Strafmaßnahmen nicht auf die russische Wirtschaft auswirkten.

Moskau hält die Strafmaßnahmen jedoch für ungerechtfertigt und hat im Gegenzug Einfuhrverbote für westliche Agrarprodukte wie Obst und Fleisch verhängt. Allein die deutsche Wirtschaft rechnet für dieses Jahr mit einem Rückgang der Exporte nach Russland um 8,5 Milliarden Euro. Bereits 2014 waren sie um 6,5 Milliarden Euro eingebrochen.

Kritik aus Deutschland

Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft zeigte sich dementsprechend enttäuscht von der Entscheidung der EU-Staaten. "Nachdem die russische Regierung in den vergangenen Monaten Signale der Deeskalation ausgesandt hat, hätten wir uns von den EU-Regierungschefs deutlich mehr Mut gewünscht, auf Russland zuzugehen", kommentierte der Vorsitzende Eckhard Cordes bereits im Vorfeld. Es werde völlig übersehen, dass zur Umsetzung des Minsk-Abkommens auch Kiew entscheidende Beiträge leisten müsse, etwa eine Verfassungsreform.

Auf Distanz zu den Wirtschaftssanktionen ging auch der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer. "Es ist ja wohl unbestritten, dass Russland gebraucht wird, um Krisenherde in dieser Welt zu beenden", sagte er der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Man muss die Frage stellen, wollen wir die Sanktionen auf unbegrenzte Zeit laufen lassen? Oder ist es an der Zeit, darüber zu reden?"

"Gezwungen, die Sanktionen zu verlängern"

Dagegen betonte der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas, die EU-Mitgliedsstaaten seien "wegen der Nichteinhaltung des Minsker Friedensabkommens (...) gezwungen, die Sanktionen zu verlängern". Der Vorsitzende der EU-Russland-Delegation im Europaparlament hielt sich am Freitag gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses, Elmar Brok, zu politischen Gesprächen in Moskau auf.

Der Beschluss sollte ursprünglich bereits Anfang Dezember gefasst werden. Mehrere Länder, allen voran Italien, hatten jedoch Zweifel an der Entscheidung angemeldet, Russland einerseits mit Strafmaßnahmen zu belegen und andererseits die Hilfe des Landes im Syrienkonflikt zu suchen. Dadurch war es zu einer zweiwöchigen Verzögerung bei der Verlängerung der Sanktionen gekommen.

Eine Aufhebung aller Sanktionen soll es nach dem Willen vieler EU-Staaten erst dann geben, wenn die Ukraine auch die von Russland annektierte Schwarzmeerhalbinsel Krim wiederbekommt. Für dieses Gebiet gelten besonders weitreichende Wirtschaftssanktionen. Der Beschluss zur Verlängerung der Wirtschaftssanktionen soll am kommenden Dienstag im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden. (Reuters, APA, 18.12.2015)