Will im Jänner "Tag und Nacht" Gespräche führen, um mit SPÖ und ÖVP einen Kompromiss angesichts der neuen Bedrohungen durch Terroristen, Spione & Co zu erzielen: der Grüne Peter Pilz.

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Wien – Peter Pilz ist alles andere als in Feiertagslaune. Der Grund für die Unruhe des Grünen: Anders als mit Rot-Schwarz vereinbart, waren die Fortschritte bei den Verhandlungen zum umstrittenen Staatsschutzgesetz der Koalition bis zur Parlamentspause bescheiden. Weil die Abgeordneten erst wieder am 10. Jänner die Gespräche aufnehmen, drängt die Zeit – und damit droht das Scheitern eines Kompromisses mit den Grünen. "Ich bin bereit, Tag und Nacht zu verhandeln", sagt Pilz. "Aber auch wenn es zu keiner Einigung kommt, sollten die bisherigen Zugeständnisse keinesfalls zurückgenommen werden."

Alles oder nichts

Genau diese "Alles-oder-nichts-Haltung" sei ihm aber aus der Innenministerpartei ÖVP vermittelt worden. Denn schon am 16. Jänner wollen die Regierungsparteien das Regelwerk im Innenausschuss absegnen, das den rund 500 Beamten des Verfassungsschutzes mehr Befugnisse einräumt, um Islamisten, Extremisten, Spionen und Waffenschiebern präventiv das Handwerk zu legen. Anvisierter Parlamentsbeschluss: Ende Jänner, damit das Gesetz Mitte 2016 in Kraft tritt.

Wie berichtet, stoßen sich nicht nur die Grünen, sondern u. a. die Richtervereinigung, die Rechtsanwaltskammer und Datenschützer, etwa vom Arbeitskreis Vorratsdaten, am mangelnden Rechtsschutz für all jene, die ins Visier der Ermittler geraten. Künftig reicht für einen "vorbeugenden Schutz" der Verdacht, dass Personen "einen verfassungsgefährdenden Angriff" im Schilde führen. Paragraf 6, Absatz 2 will Pilz daher auf potenzielle Gefährder, die "terroristische Angriffe" planen könnten, reduziert wissen. Ein Überblick, woran sich viele Kritiker außerdem stoßen:

  • Umfangreicher Deliktskatalog Unter "verfassungsgefährdende Angriffe" subsumieren die Koalitionäre mehrere Dutzend Delikte – darunter auch die "führende Teilnahme an Landfriedensbruch" oder "die Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole", womit Demonstranten, radikale Fußballfans, aber auch Kabarettisten, die vielleicht einmal "eine Landeshymne verunstalten" (Pilz), erfasst werden könnten. Auch verdächtig: alle, denen zugetraut wird, Hasspostings zu verfassen, weil auch die "Verhetzung" explizit aufscheint.
  • Einsatz von V-Leuten Zwar setzt auch die Kriminalpolizei auf "Vertrauenspersonen", die für einen Zund aus der Szene bezahlt werden – doch da es die Staatsschützer vor allem mit Jihadisten und Neonazis zu tun haben, bestehen die Grünen darauf, dass V-Leute keinesfalls mit falschen Identitäten oder Ermittlungsbefugnissen wie etwa dem Durchwühlen von Schreibtischen ausgestattet werden. Pilz: "Wir wollen keine Islamisten als Hilfspolizisten, sodass auch noch die beiden Seiten durcheinandergebracht werden."
  • Senat statt richterliche Kontrolle Statt mithilfe richterlicher Genehmigungen, wie von vielen Seiten begehrt und die eine Zweidrittelmehrheit im Parlament erfordert hätten, soll ein Dreier-Senat, bestehend aus dem Rechtsschutzbeauftragten des Innenressorts und mindestens einem langjährigen Richter oder Staatsanwalt, über die Ermittlungsschritte wachen. Laut Entwurf ist von den Dreien "eine einheitliche Vorgangsweise anzustreben" – was also keiner Muss-Bestimmung entspricht.
  • Analysedatenbank Daten von Verdächtigen und deren Kontaktpersonen dürfen vom Verfassungsschutz bis zu fünf Jahre gespeichert werden, bei erneuter Verdachtslage noch länger.

Dazu können die Koordinaten an ausländische Dienste weitergereicht werden, erklärt Pilz – und das ohne Kontrolle durch den Nationalrat und den Dreier-Senat. Der Grüne macht sich gegen eine "anlasslose Verwendung" der Daten und für eine zeitnahe Überprüfung durch EDV-Spezialisten des Parlaments stark. Außerdem sollen an NSA, CIA & Co unter Mitwirken des Rechtsschutzbeauftragten in der Regel Lagebilder, und nur bei konkreter Gefahr Personendaten übermittelt werden.

50.000 oder eine Million Verdächtige

Für den Jänner wünscht sich Pilz vom roten wie schwarzen Klub eine Emanzipation vom Innenministerium: "Es macht einen Unterschied, ob 50.000 Personen in der Datenbank des Staatsschutzes landen oder eine Million Österreicher." (Nina Weißensteiner, 21.12.2015)