Ein Moskauer Gericht hat Haftbefehl gegen Ex-Yukos-Chef Michail Chodorkowski erlassen und ihn international zur Fahndung ausgeschrieben. Ihm wird ein gut 17 Jahre zurückliegender Mord an einem sibirischen Bürgermeister zur Last gelegt. Der Sprecher des russischen Ermittlungskomitees, Wladimir Markin, versprach, Chodorkowski "selbst in der Antarktis" zu fassen, und warnte gleichzeitig die Bürgermeister in der Schweiz, sie sollten sich in Acht nehmen vor dem einstigen Oligarchen.

Markin ist für seinen kernigen Populismus ebenso bekannt wie Moskauer Gerichte für politische Urteile – und doch grenzt der Haftbefehl an Absurdität. Natürlich ist jedem in Moskau klar, dass Chodorkowski nicht ausgeliefert wird. Doch das ist noch das geringere Problem. Ebenso klar ist, dass kaum jemand an die Echtheit der Vorwürfe glaubt, selbst in Russland nicht: Schon als Chodorkowski im Gefängnis saß, nannte Kremlchef Wladimir Putin ihn einen Mörder. Doch in all den Jahren konnte die Staatsanwaltschaft keine Beweise für die Tat finden – sonst wäre er 2013 wohl nicht freigekommen.

Dass nun neue Beweise aufgetaucht sein sollen, ist unglaubwürdig. Stattdessen drängt sich der Verdacht auf, dass der Kreml damit auf die neuen politischen Aktivitäten Chodorkowskis und die juristischen Streitigkeiten mit Yukos reagiert. Doch der Abschreckung kann der Haftbefehl nicht dienen. Damit ist er vorsätzlich sinnlos. (André Ballin, 23.12.2015)