In der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) wird nicht lange um den heißen Brei herumgeredet. Manche ihrer Argumente in der Marathondebatte über die Neuordnung des Verfassungsgerichts hatten mit der offiziellen Rede von organisatorischen Verbesserungen höchstens noch am Rande zu tun. Tenor bei den Rechtsnationalen von der PiS: Das Volk hat uns gewählt, aber die Opposition will uns mithilfe des Verfassungsgerichts am Umbau des Staates hindern.

Diese Auffassung hat zwei Schönheitsfehler: Erstens ist das Verfassungsgericht keine politische Institution – auch wenn seine Mitglieder von Politikern gewählt werden. Seine Aufgabe ist juristischer Natur. Verfassungsrichter haben über die Einhaltung des Grundgesetzes zu wachen. Wer das Gremium in rechtlich fragwürdigen Blitzaktionen umfärbt und seine Beschlussfähigkeit erschwert, setzt sich dem Verdacht aus, genau damit ein Problem zu haben.

Mindestens ebenso gefährlich ist jedoch der machtpolitische Umbaufetisch, der Zwang, keinen Stein im Staat auf dem anderen zu lassen. Das Wort "Umbau" (Perestroika), das vor mehr als einem Vierteljahrhundert erster Hoffnungsschimmer für die Demokraten Mittel- und Osteuropas war, wird in einem demokratischen Rechtsstaat zur Drohgebärde – ähnlich wie der ostdeutsche Wendeslogan "Wir sind das Volk" aus dem Mund fremdenfeindlicher Pegida-Demonstranten zur Anmaßung wird. (Gerald Schubert, 23.12.2015)