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Zahran Alloush wurde in Damaskus bei einem Luftschlag getötet.

Foto: Reuters/BASSAM KHABIEH

Zahran Alloush, der im Süden von Damaskus in der Östlichen Ghouta bei einem – mutmaßlich – russischen Luftschlag getötete Kommandant der "Islamischen Armee" (Jeish al-Islam), war keiner, dem man gerne die Zukunft Syriens anvertraut hätte. Der 44-Jährige, der in den von ihm kontrollierten Gebieten eine klassische Warlord-Herrschaft führte – nicht nur, um es vor dem Assad-Regime zu schützen, sondern auch, um andere Konkurrenten, Rebellen, draußen zu halten –, verfolgte zwar kein universales jihadistisches Projekt wie der "Islamische Staat" oder Al-Kaida, aber er war ein radikaler Islamist. Und er galt als besonders brutal. Einer der besten Kenner der islamistischen Szene in Syrien, Aron Lund, schreibt auf "Syria Comment", dass Alloushs Methoden, mit denen er die Ghouta vom IS säuberte, jenen des IS nicht nachstanden. Aber auch jeder andere Dissens war unerwünscht, auch Säkulare mussten sich fürchten.

Von seinen Gegnern wurde Alloush beschuldigt, punktuell Abmachungen mit dem Regime geschlossen zu haben, wenn es nützlich war. Das heißt, er war auch pragmatisch. Sein Tod fällt mit einem Deal zusammen, in dem nun IS-Kämpfer freies Geleit aus Yarmouk im Süden von Damaskus bekommen sollen: Daran sind viele Akteure beteiligt, die syrische Regierung, Uno, Palästinenser, IS, andere Rebellengruppen – aber ohne "Islamische Armee" wäre es nicht zustande gekommen. Am Samstag gab es Berichte, dass der Abzug der IS-Leute gestoppt wurde – eine erste Folge der Ermordung Alloushs.

In letzter Zeit nahm Alloush auch von seiner aggressiven sunnitisch-islamistischen Rhetorik – nach der Schiiten und Alawiten "Schmutz" seien – etwas Abstand. Er gab einige Interviews, in der er sich neu als Politiker präsentierte. Der Grund ist klar: Zahran Alloush wollte einen Platz am Tisch, an dem ab Jänner eine politische Lösung für Syrien gesucht werden soll.

Rebellen oder Terroristen?

Seine Organisation ist, wegen ihrer ideologischen Ausrichtung und wegen ihres Verhaltens, eine der beiden großen Grenzfälle, was die Teilnahme an den Verhandlungen betrifft: Terroristen oder Rebellen? Die "Islamische Armee" hat zwar gegen den IS gekämpft – aber dazu, wenn nötig, mit der Nusra-Front, der syrischen Al-Kaida-Filiale kooperiert. Der andere umstrittene Fall ist die mächtige "Islamische Bewegung der Ahrar al-Sham" (der freien Männer von Sham/die historische Levante). Saudi-Arabien hat beide Organisationen zum ersten großen Oppositions/Rebellentreffen, Mitte Dezember in Riad eingeladen. Die "Ahrar al-Sham" manövrierten sich jedoch etwas ins Abseits, als Uneinigkeiten in der Führungsschicht evident wurden, ob man an so einem Prozess – das Ziel auf dem Papier ist ja ein demokratisches Syrien, kein islamisches – überhaupt teilhaben wolle. Die "Islamische Armee" nahm teil, nicht Alloush selbst, sondern seine Vertreter. Alloush galt stets als Mann Saudi-Arabiens – sein Vater, ein salafistischer Geistlicher, lebt dort.

Ist es wirklich nur eine Ironie des Schicksals, dass Alloushs Tod nur einen Tag, nachdem der syrische Außenminister Walid al-Muallem in China die Bereitschaft des Assad-Regimes verkündete, an den Gesprächen über die Zukunft Syriens teilzunehmen, kam? Muallems Worte in Peking, vorerst warte man noch auf die Liste mit den Teilnehmern, klingen im Nachhinein kryptisch. Laut Rebellenberichten waren es die Russen, die Alloush – und mit ihm vielleicht andere der Führungsriege – mit Luftangriffen getötet haben, aber das ist nicht bestätigt. Und dass Russland nicht nur den IS bekämpft, sondern dem Assad-Regime vor den Gesprächen behilflich ist, durch eine militärische Flurbereinigung die Verhandlungsposition zu stärken, ist auch evident.

Allerdings hat man sich beim Syrien-Konflikt schon längst von vorausblickenden Schlussfolgerungen nach dem "Cui bono"-Prinzip verabschiedet. Rebellenführer wachsen immer wieder nach, eine Gruppe kann nach so einem Schlag schwächer und pragmatischer werden, muss es aber nicht. Auch die "Ahrar al-Sham" haben schon einmal die Auslöschung quasi ihrer gesamten Führerschaft überlebt. Allerdings wurde die "Islamische Armee" laut Aron Lund wie keine andere Rebellenorganisation mit ihrem Führer identifiziert, dazu komme, dass sie sich keine Freunde gemacht habe. Aber wenn die verschiedenen Gruppen nun übereinander herfallen, um sich über die Reste der Organisation – und vor allem über die Kontrolle des wichtigen Gebiets der Östlichen Ghouta – streiten, dann ist das durchaus ebenfalls im Sinne des Assad-Regimes. (Gudrun Harrer, 26.12.2015)