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Das Texas Italiens: Knapp elf Millionen Liter Öl werden täglich aus den 1989 in der Region Basilikata entdeckten Ölfeldern gefördert.

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Es ist paradox: Die Basilikata ist nach Kalabrien die zweitärmste Region Italiens – und dabei sitzt sie auf den größten bekannten Erdölvorkommen Kontinentaleuropas. Aus mehreren Dutzend Bohrlöchern sprudeln jeden Tag knapp elf Millionen Liter des schwarzen Goldes; im vergangenen Jahr hat die Regionalverwaltung 160 Millionen Euro für Förderkonzessionen kassiert. Weitere 27 Millionen Euro erhielten die sechs Standortgemeinden im Val d'Agri. Die Ölfelder der Basilikata, die auch "Texas Italiens" oder "Saudi-Lukanien" genannt wird, decken rund zehn Prozent des italienischen Erdölbedarfs ab.

Insgesamt haben die Region und die Standortgemeinden im Verlauf der vergangenen 15 Jahre mehr als zwei Milliarden an Royaltys kassiert – aber abgesehen von einer persönlichen Karte, die zum Bezug von verbilligtem Treibstoff berechtigt, haben die Bürgerinnen und Bürger vom Ölreichtum der Region bisher wenig profitiert.

Der nationale Rechnungshof in Rom hat die Regionalregierung in Potenza deswegen schon mehrfach gerügt: Die Einnahmen aus dem Erdöl würden "planlos" und "ineffizient" eingesetzt; es sei keinerlei langfristige Strategie zu erkennen. Oder anders gesagt: Das ganze Geld versickert wegen Vetternwirtschaft und Unfähigkeit.

Geld für 8.000 Familien

Regionalpräsident Marcello Pittella, der wie Regierungschef Matteo Renzi dem sozialdemokratischen Partito Democratico angehört, will der Kritik nun mit einer neuen Maßnahme, die in Italien für einiges Aufsehen gesorgt hat, Rechnung tragen: Ab dem kommenden Jahr will er einen Teil der Royaltys zur Finanzierung eines Minimaleinkommens für alle Bürgerinnen und Bürger einsetzen. Angesetzt wurde das Minimaleinkommen bei 500 Euro; Anspruch darauf haben Arbeitslose, deren staatliche Unterstützung ausgelaufen ist, sowie generell alle erwerbsfähigen Personen, deren Einkommen eine bestimmte Grenze unterschreitet. Insgesamt werden schätzungsweise 8.000 Familien davon profitieren.

Die Maßnahme wird insgesamt rund 40 Millionen Euro jährlich kosten. Das Geld soll aber nicht ohne Bedingungen verteilt werden: Wer ein Gesuch für die Auszahlung des Minimaleinkommens stellt, verpflichtet sich gleichzeitig, entweder gemeinnützige Arbeiten zu leisten, an Wiedereingliederungsprogrammen teilzunehmen oder Weiterbildungskurse zu besuchen. Die Regionalregierung hat bereits die Kommunen aufgefordert, Projekte einzureichen, bei denen gemeinnützige Arbeit zum Einsatz kommen könnte. Möglichkeiten gäbe es viele: von der Pflege von Grünflächen über Sozialeinsätze in Spitälern und Heimen bis zur Nachbarschaftshilfe.

Kritik folgt auf dem Fuß

Die Maßnahme Pittellas hat viel Lob erhalten, aber auch Kritiker auf den Plan gerufen. Die Protestbewegung des Exkomikers Beppe Grillo, die sich für ein bedingungsloses Minimaleinkommen starkmacht, bezeichnete die 500 Euro als "viel zu niedrig und rein symbolisch".

Auch Umweltschützer meldeten Bedenken an, da sie befürchten, dass die neuen Ausgaben früher oder später zwangsläufig zur Erschließung neuer Ölfelder und damit zu neuen Umweltbelastungen führen würden.

Dies wird von Pittella aber verneint: Die Region werde sich wie bisher an die mit der Zentralregierung in Rom vereinbarte "Nachhaltigkeitsgrenze" von täglich maximal 154.000 Fass (rund 25 Millionen Liter) halten.

Nachhaltigkeitsgrenze

Damit ist man bei einem weiteren Paradox angelangt: Die "Nachhaltigkeitsgrenze" wird seit langem nicht einmal zur Hälfte ausgeschöpft – und sie wird es auch in Zukunft nicht werden. Dafür sorgen die bereits erwähnten Umweltverbände, aber auch mehrere Bürgerinitiativen, die den Erhalt der süditalienischen Kulturlandschaft und der sauberen Strände als höheres Gut einstufen als kurzfristige Profite aus der Ölförderung.

Ihr vehementester Widerstand gilt derzeit der Erforschung von Ölfeldern vor der Küste, wo Spezialisten noch deutlich größere Vorkommen vermuten. Bisher sind diese Offshore-Projekte allerdings am Widerstand der Umwelt- und Landschaftsschützer gescheitert. (Dominik Straub aus Rom, 28.12.2015)