Schützenswert: August Mackes "Paradies" (1912).

APA / Federico Gambarini

Wien – Kulturgut gilt es zu schützen, darin ist man sich einig, nicht aber darüber, was Kulturgut exakt ist. Selbst das Europäische Recht liefert in der Rechtfertigung zur Einschränkung des freien Warenverkehrs nur einen Definitionsrahmen. Demnach gilt es "nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert" zu schützen. Die Auslegung bleibt den Mitgliedsstaaten überlassen, ebenso, welche Maßnahmen eine Abwanderung verhindern sollen.

Dennoch werden Kulturgüter wiederholt rechtswidrig aus dem Hoheitsgebiet eines Staates gebracht und gewann das Thema der Rückführung im Laufe der Jahrzehnte sukzessive an Bedeutung. Auf internationaler Ebene ist die Unesco-Konvention jenes Rechtsinstrument, das weltweit verbindliche Normen festlegt und Regelungen bietet, die in nationales Recht überführt werden können.

Auf europäischer Ebene wurde 1993 eine erste Richtlinie erlassen. Sie wurde 2014 novelliert und knüpft die Rückgabe von Kulturgut an bestimmte Voraussetzungen, die eine Anpassung nationaler Gesetzgebungen erfordert. Deutschland nimmt dies zum Anlass, das in drei Gesetzen geregelte Recht des Kulturgüterschutzes in einem zu vereinen, das wie bisher auf Länderebene exekutiert wird. Der Vorentwurf sorgte im Sommer für hitzige Debatten, der im Herbst vorgelegte Referentenentwurf nicht minder.

Grundsätzlich stellen Kritiker Sinn und Zweck der Neuregelung nicht infrage, sondern es sind Details, die sie auf die Barrikaden treiben. Etwa die erweiterte Begriffsbestimmung, wonach unter Kulturgut auch solches von "paläontologischem, ethnographischem, numismatischem oder wissenschaftlichem Wert" fällt.

Die Verschärfung der liberalen Ausfuhrregelung ist ein weiterer Zankapfel. Bisher konnten Objekte, die nicht im "Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes" gelistet waren, unabhängig von Wert und Güte bewilligungsfrei in andere EU-Länder transferiert werden. Die EU-Richtlinie fordert jedoch eine Vereinheitlichung der Ausfuhrkontrollen an den Außengrenzen und Genehmigungsverfahren, die den Transfer auf dem Binnenmarkt regeln. Alters- und Wertgrenzen sollen dabei die Handhabung vereinfachen. So fürchten etwa die Erben des Expressionisten August Macke, mit dem Nachlass auf die Liste des schützenswerten Kulturguts zu geraten.

Vorgaben bei Leihgaben

Dessen ungeachtet hat der Exodus längst eingesetzt und verlagern deutsche Sammler wertvolle Bestände seit Monaten zuhauf ins Ausland. Die Sorge, dass Kunstwerke über die künftigen Ausfuhransuchen auf der Liste von national Schützenswertem landen, ist nicht unberechtigt. In diesem Verzeichnis sind bislang nur private Kulturgüter erfasst, nicht jedoch solche in öffentlichen Museen, die damit nur zivilrechtlich geschützt sind. Bei illegaler Verbringung ins Ausland sind Rückgabeansprüche nur teils durchsetzbar. Das ist der Grund, warum Kulturgüter im Eigentum und im Bestand von Bund und Ländern künftig automatisch als national schützenswert eingestuft werden.

Dieser Passus sorgt für Aufregung, Sammler sehen sich zum Abzug von Leihgaben veranlasst. Eine überzogene Reaktion, denn Leihgeber können auf diesen Schutz verzichten, der bei Kündigung oder Ablauf des Vertrages automatisch endet. Die Regelung zielt darauf ab, dass der Staat illegal ins Ausland verbrachte Kulturgüter privater Leihgeber zurückverlangen kann. Bei einem Verzicht müssen sich Leihgeber selbst darum kümmern.

Zu den Kritikpunkten gehören auch verschärfte Sorgfaltspflichten bei "Inverkehrbringen" von Kulturgut. Diese betreffen auch Privateigentümer, die bei einem Verkauf Nachweise vorlegen müssen. Künftig obliegt es dem Händler, die Provenienz des Objektes und seine rechtmäßige Einfuhr zu prüfen. Diese rückwirkende Dokumentationspflicht erzürnt den deutschen Kunsthandel, da sie nicht immer leistbar sei. Dazu kommt die über die EU-Richtlinie neu geregelte Beweislast: Im Streitfall müssen Eigentümer die "erforderliche Sorgfalt beim Erwerb" belegen, um Ansprüche auf Entschädigung zu haben.

Das gilt bald auch in Österreich: Das derzeitige Bundesgesetz über die Rückgabe unrechtmäßig verbrachter Kulturgüter (Kulturgüterrückgabegesetz) wird an die Brüsseler Vorgaben und das jüngst ratifizierte Unesco-Übereinkommen angepasst. (Olga Kronsteiner, 28.12.2015)