Wien – Erwin Pröll ziert sich. Auch wenn er von hochrangigen Vertretern seiner ÖVP – zuletzt Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer – wärmstens als Kandidat für die Nachfolge von Bundespräsident Heinz Fischer empfohlen wurde, bleibt er bei seiner Linie. Diese Woche lautete seine Aussage in den Bezirksblättern, dass sich seine Lebensplanung, die volle Legislaturperiode als Landeshauptmann durchzudienen, nicht geändert habe. Er wüsste nicht, wodurch das passiert sein sollte.

Fischers Neujahrsansprache.
bphofburg

Recht offensiv ist man im roten Lager auch noch nicht: In der SPÖ dürfte mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer zwar ein Kandidat, der das auch sein will, zur Verfügung stehen, allerdings verschrecken die Umfragewerte. Hundstorfer wäre der einzige Kandidat, der direkt aus der Bundesregierung kommt und wohl auch für deren schlechtes Image den Kopf hinhalten müsste. Im Saldo des APA-Vertrauensindex, den das Wiener OGM-Institut auf 500 Online-Interviews erstellt, hat Hundstorfer zu Jahresende einen Wert von plus 14, sechs Prozentpunkte mehr als zu Jahresbeginn.

Zum Vergleich mit 58 Punkten erreichte das amtierende Staatsoberhaupt Heinz Fischer im Dezember 2015 den Jahres-Höchstwert. Von den Rekordwerten seiner zu Ende gehenden Amtszeit – 86 Prozent im Jahr 2006 war Spitze – ist dies freilich weit entfernt und entspricht etwa der Punktezahl, die er zum Ende der ersten Amtszeit hatte. Erwin Pröll, dessen Werte in dieser Umfrageserie selten abgefragt werden, erzielte im Oktober bundesweit nur einen Positiv-Saldo von neun Prozent.

Botschaft von Irmgrard Griss

Irmgard Griss kam im Oktober auf einen Positiv-Saldo von 24 Prozentpunkten. Griss hat als erste in den Wahlkampf gestartet und in einem knapp zweiminütigen Youtube-Video vor einer Bücherwand schon einmal eine Neujahrsansprache geübt. Kernbotschaften: "Die Finanzkrise ist noch nicht ausgestanden; wer einen Frankenkredit aufgenommen hat, spürt die Folgen am eigenen Leib... Österreich hat in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass es große Herausforderungen meistern kann. Ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen, Österreich als einen Ort des Friedens, des Rechts und des sozialen Ausgleichs zu erhalten."

Irmgard Griss

Amtsinhaber Heinz Fischer konnte seine Neujahrsbotschaft an die breitere Basis der ORF-Zuseher herantragen. Auch er ging zunächst auf die Finanzkrise ein: "Die Griechenlandkrise ist zwar aus den Schlagzeilen verdrängt worden, aber deshalb noch nicht wirklich überwunden. Der Konflikt um die Ukraine kommt einer Lösung – wenn überhaupt – nur millimeterweise näher. Und der Krieg in Syrien – aber auch andere Konflikte in dieser Region – haben nicht nur ein entsetzliches Ausmaß an Toten und schwer verletzten Menschen, sondern auch ein dramatisches Ansteigen der Flüchtlingszahlen zur Folge, was beträchtliche Probleme verursacht."

Lob für Merkel

Österreichs Bundespräsident schloss einen eindringlichen Appell zur Menschlichkeit an: "Als die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in dieser Situation im vergangenen September drei einfache Worte aussprach, nämlich ‚Wir schaffen das‘, da reagierte ein Teil der Menschen ermutigt, ein anderer Teil erstaunt und ein dritter empört. ‚Wie kann sie das nur sagen?‘ tönte es aus verschiedenen Richtungen. Und es gab den banalen Vorschlag zur Lösung der Flüchtlings-Problematik, welcher lautet: ‚Man soll einfach den Hahn zudrehen und die Grenzen dicht machen‘. Aber durch diesen Hahn fließt kein Wasser und auch kein Öl, sondern ein Strom von Menschen. Und jeder Flüchtling ist ein Mensch. Und der Mensch ist nun einmal etwas Besonderes und Einzigartiges."

Fischer dankte allen in Polizei, Heer und Hilfsorganisationen, die das "Wir schaffen das" auch in Österreich wahr gemacht haben.

Und er versuchte, Optimismus angesichts sich ändernder politischer Strukturen zu verbreiten: "Das Falscheste, was wir in dieser Situation tun könnten, wäre einen Außenfeind oder einen kollektiven Sündenbock zu suchen und alles in düsteren Farben zu sehen. Niemand soll Österreich unterschätzen – und wir selbst am aller wenigsten." Leistung und soziale Sicherheit machten Österreich verlässlich.

So solle es bleiben – unausgesprochen: wer immer die nächste Neujahrsansprache halten wird. (Conrad Seidl, 1.1.2016)