Teilweise haben Wiener Häuser eine hundertjährige Bausubstanz – da kann schon etwas ungewollt in Bewegung geraten. Daher ist auch eine Kontrolle des Mauerwerks und der Schornsteine wichtig.

Foto: Julia Schilly

Wien – Als Miniaturausgabe aus Plastik landeten sie neben Schweinchen, Kleeblättern und Hufeisen heuer wieder in vielen Geldbörsen: Denn Rauchfangkehrer bringen Glück. Daran glauben die Menschen schon seit dem Mittelalter. Mit gutem Grund, denn kaum eine Berufsgruppe verhindert so viele Katastrophen. Doch den Talisman gibt es meist nur in männlicher Ausführung. Dabei klettern immer mehr schwarzgekleidete Frauen auf Österreichs Dächer, um für Sicherheit zu sorgen. Katharina Graf und Christina Wlk sind zwei von ihnen. Sie arbeiten zudem unter Chefinnen. Die Rauchfangkehrermeisterinnen Alice und Karin Hohenberger führen ihre zwei Betriebe im 16. Wiener Gemeindebezirk bereits in der fünften Generation.

Der Tag beginnt um 6.30 Uhr, vor der Morgendämmerung. Mit sperrigen Drahtbürsten, drei Kilo schweren Metallkugeln und Seilen betreten die Frauen ein Haus in Ottakring. Für das frühe Aufstehen werden sie jedoch mit einem Sonnenaufgang über den Dächern Wiens belohnt.

Auch die Reaktionen der Passanten sorgen oft für erheiternde Begegnungen. Sie halten dann ihre Knöpfe fest oder berühren die Rauchfangkehrerinnen sogar im Vorbeigehen. Als Rauchfangkehrer muss man mit Aberglauben locker umgehen können.

"Auf der Straße freuen sich die Leute zwar, wenn sie uns sehen – aber in der Wohnung haben uns viele nicht so gerne", sagt Rauchfangkehrermeisterin Wlk und lacht. Die Menschen reagieren teilweise nervös, da sie Angst vor Kosten haben. Im Wiener Feuerpolizei-, Luftreinhalte- und Klimaanlagengesetz wird geregelt, dass die Schadstoffemissionen von Feuerstätten ab 15 Kilowatt Leistung regelmäßig mittels Abgasmessungen zu überprüfen sind. Im Notfall kann zum Beispiel eine Therme sofort gesperrt werden. Der Satz "Es ist alles in Ordnung" zaubert dann tatsächlich vielen Bewohnern ein erleichtertes Lächeln in ihr Gesicht.

Mehr weibliche Lehrlinge

"Vor dreißig Jahren war eine Rauchfangkehrerin noch exotisch", erzählt Alice Hohenberger. Das ändert sich. Heute bekomme sie viel positives Feedback bezüglich ihren Mitarbeiterinnen. Und es gehören zwar Kraft und eine gewisse Kondition zum Beruf, doch gerade das reize immer mehr junge Frauen. Die Zahlen an weiblichen Lehrlingen steigen. Laut Wirtschaftskammer lag der Frauenanteil bei den Lehrlingen im Jahr 2014 bei 14,5 Prozent. Auch Graf lernte zunächst Friseurin. Davon hatte die 23-Jährige jedoch bald genug: "Ich habe mich dann nach Männerberufen umgesehen."

Anstrengend ist der Beruf nicht nur für Männer: Neben Stiegensteigen gehört die Arbeit mit der Metallkugel, mit der die Schornsteine gereinigt werden, zur Belastung. Lose Ziegel, Laub oder Tiere können den Abzug verstopfen. "Besonders im Winter wärmen sich Vögel an den Abgasen, vergiften sich und fallen in den Rauchfang", sagt Wlk. Nach ein paar Wiederholungen spürt man die Arbeit in den Oberarmen.

Der ökologische Aspekt wird wichtiger: Rauchfangkehrer fungieren als Umwelttechniker und Energieberater. Gut gewartete Feuerstätten sparen bis zu zehn Prozent Energie und verbessern die Luftqualität. Die Betriebe der Hohenbergers sind zudem Mitglied beim ÖkoBusinessPlan. Die Stadt Wien unterstützt damit bei nachhaltigem Wirtschaften. "Das Bild wandelt sich. Wir sind schon lange nicht mehr 'nur' Russknechte", so Karin Hohenberger. (Julia Schilly, 2.1.2015)