Vor wenigen Wochen rief Papst Franziskus I. selbst für Insider überraschend ein außerordentliches "Heiliges Jahr im Zeichen der Barmherzigkeit" aus. Zu Beginn desselben öffnete er, gemeinsam mit seinem freiwillig in Pension emeritierten Vorgänger, Papst Benedikt XVI. (vulgo Paparatzi) die Heilige Pforte des Petersdomes. In aktuellen Umfragen in Österreich meinten kürzlich fast zwei Drittel der Befragten, dass der aktuelle Pontifex maximus "ein vertrauenswürdiger Vermittler von Inhalten ist, die für das Leben wichtig sind", sei. Damit liegt er gleich auf mit dem Dalai Lama, der in den Jahren zuvor unangefochten als authentischer Religionsführer galt. 2016 erhält der Papst den Karlspreis. Ihm zu Ehren wird er ihm, statt in Aachen, in Rom überreicht. In Afrika und Amerika wurde der Heilige Vater 2015 frenetisch empfangen und wie ein Popstar umjubelt. Selbst Präsident Barack Obama und seine Entourage sonnten sich in den gegenüber dem Katholizismus skeptischen USA in der Popularität des Bescheidenheit und Spiritualität predigenden (und lebenden) Kirchenfürsten.

Anlässe genug, den Blick Richtung Rom zu wenden. Die seit Jahren in der Ewigen Stadt verortete Kulturhistorikerin und Journalistin Christina Höfferer entführt in Form einer Lesereise in den Vatikan. Als Mitglied des Römischen Instituts der Görres-Gesellschaft, einer im Vatikan beheimateten Forschungsinstitution, sowie als Korrespondentin des ORF und freie Autorin weiß sie ihr Insiderwissen sowohl für präzise recherchierte Hard Facts als auch für Schnurren, Gerüchte und Geschichten in und um den Kirchenstaat einzusetzen.

In angenehm lesbaren Reportagen berichtet sie von Devotionalien, von moderner Ikonografie für das Dreigestirn der derzeit so verehrten Päpste Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus I., von deren Vorlieben bei Tisch, vom Treiben in der Mensa, in der Küche, und von den die prunkvollen Säle, hehren Archive und heiligen Hallen beschallenden Klängen der vom neuen Papst verehrten Tango-Götter Carlos Gardel, Tita Merello und Astor Piazzolla.

Mit der roten Vespa zum Petersplatz fährt Annette Schavan, die deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl. Das erfährt man ebenso wie die Fakten, welcher Bäcker das Vertrauen des Papstes besitzt, wes Stimme Radio Vatikan repräsentiert, wer der Schneider von des Papstes und der Garde Gnaden ist, dass heute siebenhundert Frauen zwanzig Prozent aller Angestellten ausmachen, und dass 1934 die Jüdin Hermine Speier angestellt wurde, weil sie Jüdin war, wer die Museen und Geheimarchive leitet. Noch heikler als die Inhalte letztgenannter Institution sind die Finanzgebarungen des hauseigenen Bankinstituts. Da bleibt nicht viel ausgespart. Erhellend! (Gregor Auenhammer, 4.1.2016)