Guter Dinge: RSO-Chef Christoph Becher.

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Wien – Nun sind es mehr als drei Monate, dass Christoph Becher Manager des Radio-Symphonieorchesters Wien (RSO) ist, doch sein Studium ist nicht abgeschlossen: "Ich habe beim Hearing auf die Frage, was ich für diesen Job lernen müsste, geantwortet: ,Den ORF' – und so war es." Man habe "mit dem ORF ein kraftvolles Unternehmen hinter sich, das viel bewirken kann". Es brauche jedoch "auch Umsicht und Energie, um es in Bewegung zu setzen. Ich bin nicht ernüchtert nach 100 Tagen, ich bin euphorisch."

Er genieße "die Zusammenarbeit mit Chefdirigent Cornelius Meister, den Musikern und dem Team. Hinter allem, was wir machen, steckt ein großes künstlerisches Wollen." Nicht unpraktisch war wohl auch, dass Becher signalisiert wurde, dass dies glänzende Orchester nicht mehr mit solchen Unsicherheiten zu kämpfen haben werde wie jenen von 2009: "Mir wird versichert, dass keiner an Ausgliederung denkt. Gleichwohl sollte sich ein Orchester immer strategische Gedanken machen, die Debatte über die Legitimation von Hochkultur schläft nicht. Wenn man sich nicht damit befasst, macht man es sich zu leicht und könnte Probleme bekommen. Wir müssen zeigen, dass das Orchester notwendig ist. Es ist essenziell, dass wir in den Bundesländern stärker präsent sind. Für 2017/18 arbeiten wir an einer Bundesländertournee."

International, so der in Fürstenhagen geborene Becher (Jahrgang 1963), sei man "gut verankert. Wir haben Tourneen nach China, Japan, Deutschland. Es gibt Nachfrage, und wir spielen immer auch zeitgenössische Stücke – wir haben die Verantwortung, die lebenden Komponisten zu spielen. Friedrich Cerha ist in Österreich die Nummer eins, im Ausland wird er unter seinem Wert gehandelt, wie wir meinen. Wer spielt ihn, wenn nicht wir?"

Becher findet zwar, dass das Orchester personell gut aufgestellt sei. Dennoch seien "die Musiker einer hohen Belastung ausgesetzt. Deutsche Rundfunkorchester tun sich da womöglich leichter. Wir wissen aber, was wir leisten können, und tun es auch. Man muss sich das Pensum des RSO einmal vor Augen führen: Wir spielen Hollywood in Vienna, Boulez, Schostakowitsch – und alles innerhalb von zwei Wochen. Es gibt nicht viele, die das mit der gleichen Intensität schaffen."

Becher ist der erste Orchesterintendant des RSO, der nicht aus dem ORF kommt. Der Vorteil? "Wahrscheinlich hilft es, dass ich in den letzten Jahren nahe am Markt dran war. Ich habe gelernt, ein Orchester zu verkaufen, Lobbyarbeit zu betreiben. Das Württembergische Kammerorchester, das ich gemanagt habe, spielt 50 Prozent des Gesamtetats selbst ein. Das wird ein Rundfunkorchester nie erreichen können, aber man erwartet von uns, dass wir einen bestimmten Anteil des Budgets selbst generieren. Die Auslandstourneen helfen uns dabei." Das Orchester in fünf Jahren? "Da möchte ich, dass mehr Konzerte mit weniger Projekten stattfinden und es eine sehr regelmäßige Präsenz in den Bundesländern gibt. Auch will ich, dass der ORF stolz ist auf das Orchester und die Musiker stolz sind auf den ORF. Alles andere kann so bleiben." Im Fernsehbereich würde Becher gerne "mit den TV-Kollegen neue Konzertformate entwickeln. Hier wären wir in der Lage, Maßstäbe zu setzen."

Neue kompositorische Strömungen sucht er, der einst Dramaturg im Wiener Konzerthaus war, nicht primär: "Mich interessiert vor allem der Querschnitt. Was passiert gleichzeitig, wie haben sich manche weiterentwickelt? Da bin ich froh über die Arbeit von Vorgänger Christian Scheib. Durch sie haben wir einen direkten Draht zu Komponisten, es gibt feste Partnerschaften. Wenn ich daran anknüpfen kann, ist das eine große Hilfe." (toš, 7.1.2016)