Mitteleuropa müsse "eine Oase der Stabilität" bleiben, sagte Polens Außenminister Witold Waszczykowski während seines Besuchs in Prag. Da drängt sich die Frage auf, welche Art von Stabilität Waszczykowski eigentlich im Sinn hatte. Die hastigen, rechtlich umstrittenen Maßnahmen, mit denen sich die nationalkonservative Führung das Verfassungsgericht und die öffentlich-rechtlichen Medien gefügig machen will, können kaum als Garanten für Stabilität herhalten. Selbst wenn die Europäische Kommission bei ihrer Sitzung heute, Mittwoch, kein Prüfverfahren zur Rechtsstaatlichkeit in Polen einleitet, erregen die "Nacht-und-Nebel-Aktionen" Warschaus (Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn) in Brüssel doch ernste Besorgnis.

Auch die Stabilität innerhalb der Visegrád-Staatengruppe (V4) hat Waszczykowski mit seiner Äußerung wohl eher nicht gemeint. Für Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei war Visegrád stets eine Plattform zur Abstimmung von Positionen und für wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit. Die Achse aber, die sich derzeit zwischen den rechtsnationalen Regierungen in Warschau und Budapest bildet, dürfte eher zur Belastungsprobe für das Staatenbündnis werden. So sind etwa die neuen Misstöne zwischen Warschau und Berlin schlecht kompatibel mit den traditionell guten deutsch-tschechischen Beziehungen.

Bleibt die Flüchtlingskrise. Es ist zwar richtig, dass die ostmitteleuropäischen Länder allesamt einer Verteilung von Schutzsuchenden kritisch gegenüberstehen. Dieser kleinste gemeinsame Nenner ist aber nicht groß genug für eine gemeinsame Europapolitik. Das weiß auch Tschechiens Außenminister Lubomír Zaorálek: Er vertraue darauf, dass "die Opposition in Polen auch künftig ihre Meinung sagen kann", erklärte der Sozialdemokrat bei der gemeinsamen Pressekonferenz. Ein Schulterschluss sieht anders aus. (Gerald Schubert, 12.1.2016)