Der Obmann der NGO Asyl in Not, Michael Genner, ist vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg mit einer Beschwerde gegen die Republik Österreich abgeblitzt. Genner war am Wiener Landesgericht zu einer teilbedingten Geldstrafe von 1.200 Euro verurteilt worden, weil er den unerwarteten Tod von Innenministerin Liese Prokop am 1. Jänner 2007 mit folgendem Satz kommentiert hatte: "Die gute Meldung zum Jahresbeginn: Liese Prokop, Bundesministerin für Folter und Deportation, ist tot." Prokops Witwer Gunnar Prokop hatte Genner daraufhin wegen übler Nachrede angezeigt.

Genner: "Legitime Kritik"

Genners erstinstanzliche Verurteilung hielt auch im Instanzenweg stand. Nun sahen auch die Straßburger Menschenrechts-Richter seine Beschwerde, wonach die Republik Österreich ihn zu Unrecht in seiner Meinungsfreiheit eingeschränkt habe, als nicht berechtigt an. Genner hatte sich damit gerechtfertigt, dass er nicht die Person Prokops, sondern deren Asylpolitik kritisiert habe, dass seine Wortwahl zwar derb, die Kritik selbst aber legitim sei.

Die EGMR-Richter wogen das Recht auf Meinungsfreiheit gegen die Persönlichkeitsrechte der verstorbenen Ministerin und ihres Ehemannes ab und kamen zum Schluss, dass Genner zu weit gegangen war. Vor allem der Zeitpunkt seiner Aussage nur einen Tag nach dem plötzlichen Tod Prokops spiele hier eine Rolle, so die Richter in ihrer Entscheidung vom 12. Jänner. (sterk, 13.1.2016)