Es kommt drauf an, was man will. Und braucht. Wenn man überhaupt von "brauchen" reden kann: 300 oder 400 Euro für ein Spielzeug auszugeben, das man dann alle heiligen Zeiten verwendet, weil man meist mit einer weit höherwertigen Spiegelreflexkamera fotografiert, will wohl überlegt sein. Aber knapp 90 Euro?

Foto: Thomas Rottenberg

Also schlugen meine Laufbuddies Daniela und Daniel zu, als sie bei einem Sportatikelgroßhändler ein Lookalike meiner "Dienstkamera", der Gopro Hero4-Session, sahen: "Schau mal", freuten sie sich, als sie mir die Denver ACT 5040W präsentierten "die ist exakt so klein wie deine, hat aber weniger gekostet, als nur dein Zubehör – und es war alles dabei." Und: "Sie hat Wifi und sogar einen Bildschirm – und kann Zeitlupe und Zeitraffer: Für 88 Euro."

Foto: Daniela Bovenkamp

88 Euro sind eine Ansage. Gopro, der Markt- und Imageführer bei Sport- und Actioncams hat seinen "Zauberwürfel" ursprünglich in der 400 Euro-Region angesiedelt. Nach geharnischten und teils vernichtenden Kritiken ging man in den 300er-Bereich – und senkte vor Weihnachten nochmal den Preis: Auf 199 Dollar. Derzeit wird die "Session" mit 220 Euro gelistet. Ein realistischer Preis bei dem, was die Kamera kann (und auch nicht kann). Nur: Was kann ein 88 Euro-Klon können?

Foto: Thomas Rottenberg

In der Hand liegt die Denver (der Hersteller ist nicht in Colorado sondern Dänemark daheim) exakt wie das "Original". Gewicht, Haptik, Handling: Auf den ersten Blick und Griff ident. So wie die Halterungen: Die Denver-Teile sind so gebaut, dass sie mit den ausgefuchsteren Gopro-Spezialhalterungen kompatibel sind. (So wie mittlerweile die Housings & Halterungen fast aller Actioncam-Hersteller.)

Der Monitor – 1"37-Zoll winzig – ist für mich aber unbrauchbar: Ich halte Weitwinkelkameras gefühlsmäßig so, dass das, was ich im Bild haben will, auch drin ist. Ich finde es auch fein, meine Umwelt eben nicht über die Zwischenebene "Monitor" zu sehen. Daniel und Daniela sehen das grundlegend anders. So wie viele Anwender.

Was für mich außerdem gegen Nano-Screens spricht: Der Weitwinkel. bei 172 Grad muss ich nicht zielen. Hoppla: Die Denver "kann" nur 120.

Foto: Daniela Bovenkamp

Schon sind wir bei den Unterschieden: Wirklich (30 Meter) wasserdicht ist der dänische Würfel nur im (mitgelieferten) Unterwassergehäuse. Die (nicht herausnehmbare) Batterie hält laut Herstellerangaben eine Stunde. Die der Gopro zwei. Die Gopro hat im Fotomodus variable Mehrfach- und Dauerauslöseeinstellungen. Bis zu einem Foto pro Sekunde. Die Denver löst ein- und mehrfach (bis zu zehn Mal) aus. Danach kommt schon der "Zeitraffer"-Filmmodus. Der macht höchstens alle fünf Sekunden ein Bild: Vorbeilauf-Fotoserien mit auf Astgabeln oder sonstwo abgelegter Kamera wären so mühsam. Auch das Fotografieren via Selfie-Stick. Freilich: Fernauslösung – via App oder Fernsteuerung – gibt es für die Billig-Cam. Außerdem kann sie auch Zeitlupenvideos aufnehmen.

Daniela Bovenkamp

Die Videoqualität genügt dem, was Normalanwender im normalen Anwendungsfall brauchen: 720p (1280x 720) bei 60 Frames per Second. Und 1080p (1920 x 1080) bei 30 Bildern/Sekunde – offiziell also HD- und Full-HD-Standard.

Daniela Bovenkamp

Doch beim Video im Normal-HD-Modus war ich irritiert: Da rattert etwas. Ähnlich dem Super-8-Projektor meines Vaters in der Zeit der Vierteltelefone. "Ist uns auch aufgefallen: Es war kein Hintergrundgeräusch, sondern die Kamera."

Daniela Bovenkamp

Geräuschtechnisch ist die Denver generell "interessant": Ob das eingebaute Mikro einfach schlecht ist, oder die beiden zufällig immer die Hand darauf hatten, ließ sich nicht sicher klären: In dubio pro reo. Sicher ist aber, dass wir nicht herausfanden, ob – und wenn ja wie – man das supernervige, künstliche Verschluss-Klicken im Fotomodus abstellen kann.

Fotoqualität? "Naja" ist eine höfliche Formulierung. "Verwirrend" die andere: Während die Kamera laut Packung 8 und 5 Megapixel-Aufnahmen schafft (3264 x 2448, respektive 2560 x 1920 Pünktchen) und auf der Homepage von 12 Megapixeln die Rede ist, sind im (Online-)Manual dann 3 sowie 5 und 8 Megapixel angeführt.

Foto: Daniela Bovenkamp

8 Megapixel schafft meine "Session" auch. Aber diese Bilder sehen anders aus. Doch Daniel und Daniela schwören, dass bei der Denver die höchsten Parameter eingestellt waren, sie die Bilder weder beschnitten, noch bearbeitet und auch in der höchsten Auflösung geschickt haben …

Mir wäre das zu wenig. Viel zu wenig. Auch um die 85 Euro, um die man die Kamera findet? Gute Frage. Doch nur um die geht es, betonen Daniela und Daniel: "Für ein bisserl Facebook und Instagram reicht das. Und für alles Andere ist uns auch deine Gopro nicht stark genug: wir fotografieren nicht ohne Grund mit einer teuren SLR." (Thomas Rottenberg, 17.1.2016)

Denver 5040W
Foto: Hersteller

Online ab 85€ zu finden.