Die Anforderungen an Papierhersteller steigen: Je nach Verwendung sollte es reißfest, luftdurchlässig oder feuchtigkeitsbeständig sein.

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Graz – Bereits in den 1970er-Jahren wurde das papierlose Büro prophezeit. Gar so schnell ging es dann nicht, doch die fortschreitende Digitalisierung ändert unseren Umgang mit Papier. Werden die rund fünf Millionen Tonnen Papier und Pappe, die in Österreich jährlich produziert werden, in Zukunft noch Abnehmer finden? "Wahrscheinlich wird der Bedarf an Druckpapier zurückgehen, dafür braucht man immer mehr Verpackungsmaterial für die zunehmend übers Internet bestellten Waren", ist Ulrich Hirn vom Institut für Papier-, Zellstoff- und Fasertechnik der Technischen Universität Graz überzeugt.

Die Anforderungen an Papier steigen jedenfalls: Oft muss es extrem reißfest sein, mitunter luftdurchlässig, Druckerfarben sollte es optimal aufnehmen, und seine Form darf es auch bei Feuchtigkeit nicht verlieren. Je nach Verwendungszweck müssen diese Eigenschaften perfekt kombiniert werden. Wie das zu erreichen ist, soll im neuen "Christian-Doppler-Labor für Faserquellung und deren Effekt auf die Papiereigenschaften" erforscht werden, das vergangene Woche eröffnet wurde.

Der etwas sperrige Name wird durch einen Blick auf den Herstellungsprozess von Papier rasch erhellt. Dieses entsteht nämlich, wenn man Zellstofffasern in Wasser legt. Dort quellen sie auf, werden weich, und ihre Oberflächen verbinden sich miteinander ohne Einsatz chemischer Klebstoffe. Je stärker die Fasern quellen, desto besser haften ihre Oberflächen aneinander und desto größer ist in der Folge die Papierfestigkeit. Allerdings braucht man dann auch mehr Heizenergie zum Trocknen.

Der Papier- und Verpackungsmittelhersteller Mondi hat sich dem neuen CD-Labor, das vom Wissenschaftsministerium gefördert wird, als Wirtschaftspartner angeschlossen, um von den Forschern die Formel für besonders reißfestes Papier zu bekommen. Gleichzeitig sollen die Produktionskosten gesenkt werden.

Kein simpler Riss

Eine knifflige Problemstellung, zu deren Lösung die Grazer Papierexperten zunächst "den sehr komplexen Versagensprozess bei Papier besser verstehen müssen", sagt Laborleiter Ulrich Hirn. Dieses Versagen bestehe nicht aus einem simplen Riss, sondern beginne an vielen Stellen. "Wir suchen nach den 'Keimzellen' des Versagens – also erforschen, warum einzelne Bindungen nicht halten und warum sich dieses Versagen manchmal fortpflanzt und manchmal nicht."

Mit diesem Wissen wollen die Forscher die Zellulose und den Quellungsvorgang so modifizieren, dass die Fasern zum Zweck guter Bindung zwar an der Oberfläche stark quellen, sich innen aber nicht mit Wasser vollsaugen. Dadurch muss weniger Wasser herausgetrocknet werden, was die Produktionskosten senkt.

Das Phänomen der Faserquellung bei Wasserkontakt kann aber unerfreuliche Nebenwirkungen haben: die sogenannten Planlage-Fehler, also Unebenheiten im Papier. Planes Papier ist nicht nur eine ästhetische Vorgabe, sondern auch Voraussetzung für das reibungslose Funktionieren wasserbasierter Druckverfahren. Bei industriell eingesetzten Highspeed-Inkjet-Druckern misst der Abstand zwischen Druckkopf und Papier gerade einmal einen Millimeter. Durch Planlage-Fehler kann das Papier leicht am Druckkopf anstreifen, wodurch die wasserbasierte Tinte verschmiert. Um die Drucker dafür zu rüsten, benötigen deren Hersteller genaue Informationen über das Verhalten des Papiers bei Wasserkontakt. So kann die Druckmaschine bei der Konstruktion an die Eigenheiten des Papiers angepasst werden.

Netzwerkmodelle

Zu den nötigen Informationen gelangen die Forscher, indem sie die mechanischen Eigenschaften jeder einzelnen Papierfaser vermessen. Diese Daten fließen dann in Netzwerkmodelle ein, wo das Bindungsverhalten und die Reaktion der Fasern bei Befeuchtung simuliert werden. "Dazu müssen wir ein Stück Papier mit zehntausenden Einzelfasern modellieren", sagt Hirn. Das ist keine triviale Aufgabe, da jede Faser eine eigene, komplexe Geometrie und unterschiedliche mechanische Eigenschaften aufweist.

"Die Simulationen werden dann mit den realen Messdaten abgeglichen und in Finite-Elemente-Modelle übersetzt, die bei der Entwicklung von Druckmaschinen zum Einsatz kommen", so der Papierexperte. Dringend erwartet werden diese Modelle übrigens von einem anderen Wirtschaftspartner des CD-Labors: der zum Canon-Konzern gehörenden Firma Océ, die Digitaldruckmaschinen für den Weltmarkt produziert. (Doris Griesser, 25.1.2016)