Auf die Unterkünfte von meist illegal beschäftigten afrikanischen Saisonarbeitern in Rosarno (Kalabrien) wurden 2010 Brandanschläge verübt. 20 bis 25 Euro verdienen die Orangenpflücker am Tag.

Foto: Eva Leitolf

Wien – Die Phase. in der "alles gut" war und die Festung Europa sich zugunsten einer Willkommenskultur öffnete, war kurz. Das "Wir schaffen das" ist inzwischen Strategien der Abschreckung gewichen: Wie kann man als Staat ein möglichst unattraktives Ziel für Flüchtlinge werden?

Eine Taktik, wie sie früher den klassischen Einreiseländern in die EU, Ungarn, Bulgarien, Italien, vorgeworfen wurde. Von einer "Verelendungsstrategie" sprach ein Anwalt eines Asylwerbers 2011 in Bezug auf unzureichende sanitäre Infrastrukturen in italienischen Asylunterkünften, die auch in der Summe nicht dem tatsächlichen Bedarf entsprachen.

Koloss der Hoffnung

Eine solche Unterkunft hat die deutsche Fotografin Eva Leitolf 2012 fotografiert: ein ehemaliges Universitätsgebäude in Rom, ein verspiegelter Glaskoloss, den die voller Hoffnung gekommenen Flüchtlinge Palazzo Selam – Friedenspalast – genannt haben. Die vorhanglosen Fenster sind notdürftig mit Stoff verhängt, Satellitenschüsseln sprießen wie Blumen aus der Fassade, vor der das elende Wrack eines Kleinbusses parkt. Flüchtlinge zeigt die Aufnahme nicht. Kein einziges Bild ihrer 2006 begonnenen Serie Postcards from Europe tut das.

Die emotionalisierende und klischeehafte mediale Darstellung der Flüchtlinge interessiert Leitolf (geb. 1966) nicht, wohl aber der Umgang mit den aus ihrer Heimat geflüchteten Menschen: an den EU-Außengrenzen in Spanien, Süditalien und Ungarn, in Hafenstädten wie Dover und schließlich hier bei uns.

Leitolfs nüchtern-kühle Fotografien, die noch bis Monatsende im Kunsthaus Wien zu sehen sind, begleiten jeweils Postkarten (dt./engl.) mit der Geschichte zum Ort und passenden Hintergrundinformationen.

Trotz ihrer Distanziertheit vermögen Leitolfs Bilder aber sehr wohl Emotionen zu transportieren. Es gelingt über Details, die dem sich Orte und Situationen vergegenwärtigenden Betrachter auffallen: Es ist etwa der Reif auf einem in der Dämmerung aufgenommenen Maisfeld, der die Perspektivlosigkeit der hier bei der Flucht über die grüne Grenze Aufgegriffenen vermittelt. Auch das grell flutende Licht, das die Schatten laubloser Bäume hart an eine Kasernenmauer mit Stahlgittertor wirft, erzählt die Geschichte von Aufenthaltsverfahren mit der ihr entsprechenden Trostlosigkeit. Oder die nächtliche Szene in einem Wohngebiet an der griechisch-türkischen Grenze, wo man bereits 2011 einen Grenzzaun forderte – über der Straße hängt eine kaputte Lichterkette: Der "Welcome"-Gruß ist fast erloschen.

Nicht verpassen. (Anne Katrin Feßler, 21.1.2016)