Die Spuren der Vergangenheit holen Kremlchef Wladimir Putin wieder ein. Der zehn Jahre zurückliegende Mord am Ex-KGB-Agenten und späteren Überläufer Alexander Litwinenko, der in seinem Londoner Asyl mit radioaktivem Polonium vergiftet worden war und nach drei Wochen qualvoll daran starb, verseucht auch heute noch die Beziehungen zwischen Russland und Großbritannien. Nun hat ein britischer Richter erklärt, der Mord sei "wahrscheinlich" im Auftrag des russischen Geheimdienstes FSB und mit Billigung Putins erfolgt.

"Wenig überraschend" fand man diese Schlussfolgerungen selbst in Moskau – wenn der Kreml naturgemäß auch nicht damit übereinstimmte und sie als voreingenommen und "politisiert" charakterisierte. Doch es fällt schwer, der russischen Argumentation zu folgen. Ein "gewöhnlicher Kriminalfall", als den ihn Außenamtssprecherin Maria Sacharowa schildert, war das mitnichten. Zu perfide war die Tat, zu exotisch das Mordwerkzeug.

Es wirkte wie eine Machtdemonstration, und Moskau hat wenig dazu beigetragen, den Verdacht von sich abzuwenden. Kooperiert wurde nicht. Jahre später ließ Putin bei einem Agententreffen leichthin die Bemerkung fallen: "Verrätern blüht meist ein böses Ende", was vielfach als Anspielung aufgefasst wurde. Seine Allmacht hätte der FSB mit einem Polonium-Mord glänzend bewiesen, nur die Nebenwirkungen auf die Politik überstrahlen dies negativ. (André Ballin, 21.1.2016)