Zwei Tage nach dem Beschluss der Obergrenzen für Flüchtlinge herrscht viel Verwirrung. Sie beginnt bereits beim Wort Obergrenze. Das nämlich ist in SPÖ-Kreisen zum Unwort erklärt worden. Stattdessen sprechen rote Vertreter von Richtwerten. Auch das Wort Planungsgröße ist bereits gefallen. Obergrenzen würden der Linie der SPÖ widersprechen und seien außerdem nicht rechtens, skandierten zwei Vertreterinnen der Wiener SPÖ, Sonja Wehsely und Renate Brauner.

Verwirrt wirken aber auch jene Politiker, die das Papier verhandelt haben. Zum Beispiel Bürgermeister Michael Häupl, der sich nun gegen die heftige Kritik seiner Stadträtinnen wehren muss. Manchmal unterschreibe man eben Verträge, bei denen sich kaum jemand auskenne, lautete seine Erklärung am Freitag im Ö1-"Morgenjournal". Wehsely habe bereits Kritik geübt, bevor sie das Papier überhaupt gesehen habe.

Das klingt nach einem ziemlichen Kommunikationsdesaster. Und das bei dem so heiklen Thema Flüchtlinge, das bei vielen Menschen Ängste auslöst.

Doch viel absurder als die Debatte über Richtwert versus Obergrenze ist, dass da am Mittwoch offenbar ein Papier präsentiert wurde, bei dem Teile der Verhandler nun davon ausgehen, dass es ohnehin nicht halten wird. Häupl hatte schon bei der Präsentation gesagt, dass alle Maßnahmen rechtlich überprüft werden müssten. Was genau er damit bezwecken will, verriet der Wiener Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler am Donnerstag: Man gehe davon aus, dass die Maßnahmen nicht rechtens seien. Das sei Parteilinie – und damit auch Meinung Häupls.

So weit ist man in der Koalition also schon? Um der Einigung willen stellen sich einzelne Vertreter hin und präsentieren Maßnahmen, von denen sie nicht überzeugt sind, nein, die sie eigentlich sogar für rechtswidrig erachten?

Häupl versucht derzeit einen Spagat zu machen, der sich einfach nicht ausgehen kann. Im Wiener Wahlkampf war er noch derjenige, der die Flüchtlinge willkommen hieß. Er ließ sich für seine klaren Ansagen punkto Aufnahme und Integration feiern. Für viele Wähler war das der Grund, ihm ihre Stimme zu geben. Die Linie wirkte auch sehr authentisch, und Häupl ließ Kritik – etwa aus den Wiener Flächenbezirken – abprallen.

Doch die SPÖ insgesamt kann Häupls Auffassung nicht unisono teilen. In der burgenländischen Landesorganisation herrschen sowieso ganz andere Vorstellungen darüber, wie man mit Flüchtlingen verfahren soll. Und Bundeskanzler Werner Faymann? Er versucht alles unter einen Hut zu bringen. Nun muss er damit leben, dass ihm vorgeworfen wird, einen Richtungsschwenk zu vollziehen. Das artikulierte am Donnerstag der Arbeitersamariterbund. Und Häupl muss damit leben, den Richtungsschwenk mitgetragen zu haben. (Rosa Winkler-Hermaden, 22.1.2016)