Demonstranten gegen den Akademikerball in der Grazer Herrengasse.

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Blockade in der Innenstadt.

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Die Aula der Uni Graz während der Mitternachtseinlage des Multikulti-Balles.

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Die Karl-Franzens-Uni erstrahlte auch außen bunt.

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Menschenrechtsaktivistin Sonja Perkiĉ-Krempl wird von der Leiterin des Afro-Asiatischen Instituts, Claudia Unger, mit der Multikulti-Card ausgezeichnet.

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Graz – Zwei Bälle, die unterschiedlicher nicht sein könnten, wurden am Samstag in Graz in derselben Nacht gefeiert. In der Innenstadt wurden schon am Nachmittag Gassen und Plätze rund um den Congress von der Polizei gesperrt, weil dort abends Burschenschafter und FPÖ-Funktionäre ihren Akademikerball feierten. Rund 500 Menschen demonstrierten ab dem Nachmittag in einem Demozug, der unter anderem durch die Herrengasse führte unter dem Motto "Faschismus stoppen, Burschenschaften blocken". In der Folge gab es auch mehrere Sitzblockaden, die bis zum späten Abend dauerten. Auch der Ex-EU-Parlamentarier der Freiheitlichen, Andreas Mölzer, war unter den Ballgästen, die großteils mit dem Taxi kamen.

64. Burschenschafterball, zweite Demo

Organisiert wurde der Protest von dem Bündnis Offensive gegen rechts (OGR), dem sich unter anderem die GRAS, die Interventionistische Linke (IL) und einige autonome Gruppen angeschlossen hatten. Der Grazer Akademikerball fand zum 64 mal statt, die große Demo der OGR erst zum zweiten Mal. Auf der Homepage des Akademikerballs wurden heuer die Sponsoren nicht mehr angezeigt.

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Im Hauptgebäude und in der Bibliothek der Karl-Franzens-Uni feierten derweil zum 18. Mal rund 1700 Menschen, unter ihnen auch viele Akademiker, Lehrende und Studierende der Uni und Politiker von ÖVP, SPÖ, den Grünen und der KPÖ, eine pluralistische Gesellschaft auf dem restlos ausverkauften Multikulti-Ball.

Kulinarisch war man von Crêpes bis Indian Curry, musikalisch von Klezmer über Balkanklänge bis zu afrikanischen Chören und Volksmusik breit aufgestellt. Ballgäste kamen in Saris, afrikanischen und steirischen Trachten, Schottenröcken oder einfach neutralen Ballroben. Der Ball hätte eigentlich am 20. Juni 2015 stattfinden sollen, wurde damals allerdings wegen der Amokfahrt in Graz verschoben.

Protest in luftiger Höhe

Am Rande der Demos gegen den Akademikerball gab es auch artistische Einlagen, etwa Dreibeinige Tripods am Marburger Kai, auf denen Aktivisten in luftiger Höhe gegen die deutschnationalen Studentenverbindungen protestierten.

Laut Polizei kam es bei den stundenlangen Kundgebungen und Blockaden weder zu Tätlichkeiten, noch zu Sachbeschädigungen. "Es ist eigentlich sehr ruhig verlaufen", so Polizeisprecher Leo Josefus im Gespräch mit dem STANDARD erleichtert. Sechs Personen wurden vorübergehend festgenommen und "einer Identitätsfeststellung zugeführt".

Die Interventionistische Linke kritisierte am Sonntag ein "unverhältnismäßig hartes Durchgreifen der Polizei". Schwerere Verletzungen habe aber niemand erlitten. Zufrieden zeigte man sich in einer Aussendung damit, "den Zugang zum rechtsextremen Stelldichein erheblich" erschwert zu haben. Man habe sich den Burschenschaftern "entschlossen und friedlich in den Weg gestellt".

Hitlergruß angezeigt

Johannes Steiner, Sprecher der OGR sagt, er habe am Rande der Demo Anzeige wegen eines Hitlergrußes erstattet, räumt aber ein: "Es hat sich dabei nicht um einen Ballgast, sondern um einen Passanten gehandelt".

Bürgermeister Siegfried Nagl, der von der OGR kritisiert wird, weil die Stadt den Congress, dessen Mehrheitseigentümerin sie ist, an die Burschenschaften vermietet, ist selbst Stammgast am Multikulti-Ball, den er auch am Samstag wieder besuchte.

Zeithistoriker und Altrektor der Uni Graz, Helmut Konrad (siehe Video), in dessen Amtszeit der erste Multikulti-Ball fiel, kritisierte Bürgermeister Nagl für etwas anderes, nämlich für seine Äußerungen in den letzten Tagen: "Dass wir eigentlich jetzt schon die Grenzen dicht machen müssten, hat mich sehr, sehr betroffen gemacht."

Und Nagl habe ihn damit auch überrascht: "Denn ich hätte ihn als Grazer Bürgermeister für sensibler in dieser Frage gehalten." Dass Nagl sogar innerhalb der ÖVP vorpresche, das sei "schon etwas überraschend und für einen Bürgermeister der Menschenrechtsstadt enttäuschend".

Altrektor froh über Protest gegen rechts

Konrad sei froh, dass junge Menschen gegen den Akademikerball auf die Straße gingen, so lange der Protest gewaltfrei bliebe. Wäre er ein junger Mensch würde er sich selbst den Demos anschließen, so der Altrektor: "Dieser Ball entspricht nicht meiner Vorstellung einer pluralistisch, demokratischen Gesellschaft". Er habe den Akademikerball auch als Rektor nie ökonomisch gefördert oder gar besucht.

Am Multikulti-Ball gibt es jedes Jahr eine Auszeichnung durch die so genannte Multi-Kulti-Card. Sie erhielt heuer die Menschenrechtskämpferin Sonja Perkiĉ-Krempl, die auch Trägerin des Menschenrechtspreises der Steiermark ist. Sie war Teil eines Zeugenbegleitungsprogramm in Guatemala, untersuchte Frauenmorde und war auch am Prozess gegen den ehemaligen Militärgeneral Rios Montt wegen Genozid und Kriegsverbrechen beteiligt. Perkiĉ-Krempl musste das Land daraufhin verlassen und macht nun ihr Doktorat in Mexiko.

Syrischer Arzt als Ehrengast

Ehrengast des Multikulti-Balls war heuer der junge syrische Zahnarzt Muhamad Al Diri, der so lange es ging als Arzt im Süden von Syrien blieb und half, schließlich aber wegen Verfolgung selbst flüchten musste. In einem knappen Jahr lernte er fast perfekt Deutsch und wartet nun auf die Nostrifikation seiner Ausbildung in Graz, während er unter anderem mit der Caritas nun selbst Flüchtlingen hilft. (Colette M. Schmidt, 24.1.2016)