Angefangen hat es mit Musik- und Filmproduktionen. Dazu kamen Produktideen von Technik-Start-ups und soziale Projekte. Heute dient Crowdfunding als Finanzierungsmethode von Sportvereinen bis zu Immobilienprojekten, von landwirtschaftlichen Erzeugnissen bis zu wissenschaftlichen Studien. Es kann von regionalen oder globalen Zielgruppen Geld eingesammelt werden – von kleinen Spenden bis zu hohen Unternehmensbeteiligungen. Die jährlichen Zuwachsraten der jungen Finanzierungsform, bei der eine größere Menge von Personen über das Internet Mittel zur Verfügung stellt, liegen im dreistelligen Prozentbereich. Entsprechende Plattformen schießen im Netz wie Pilze aus dem Boden.

Martin Angerer vom Lehrstuhl für Finance an der Universität Liechtenstein sieht den Crowd- funding-Boom aber auch mit Problemen behaftet – vor allem wenn die Geschäfte Landesgrenzen überschreiten und sich über verschiedene Kulturen, Rechts- und Steuersysteme erstrecken. Der Finanzwirtschafter ist Teil eines interdisziplinären Teams, das in einem Forschungsprojekt potenzielle regionale Hürden im deutschsprachigen Raum abbauen möchte.

Drei identifizierte Hemmnisse

"Die Geldgeber kommen hauptsächlich aus jenen Nationen, in denen die Crowdfunding-Kampagne gestartet wurde", erklärt Angerer. "Das sieht man auch in Österreich." Die Wissenschafter haben drei Bereiche identifiziert, die die Investoren abhält. Zum einen ist da die Frage: Welche Rechtslage gilt überhaupt, wenn ich auf einer im Ausland beheimateten Online-Plattform investiere? Die Antwort: Es kommt drauf an.

"Bei Privatpersonen gilt laut internationalem Privatrecht meist die Rechtslage jenes Landes, aus dem der Investor kommt, nicht so aber bei Unternehmen", so Angerer. Das bedeutet auch, dass bei einem österreichischen Projekt auf einer österreichischen Plattform, das Unterstützer aus 23 Länder hat, potenziell 23 verschiedene Rechtslagen zur Anwendung kommen. "Wenn ein finnischer Bürger investiert, haben Sie bei Ihrem Projekt im Zweifelsfall mit finnischem Recht zu tun." Ergo: "Bei Problemen kann die Rechtslage sehr komplex werden."

Der zweite Bereich sind Steuerfragen: Für Verbraucher ist es auch hier relativ einfach – sie zahlen Steuern in ihrem Herkunftsland. Schwieriger ist es wieder bei Unternehmen. "Bei juristischen Personen ist es vertragsabhängig, wo zu versteuern ist", sagt Angerer. Steuerliche und rechtliche Aspekte werden komplexer, wenn per Crowdfunding nicht Produkte vertrieben werden, sondern Geld verliehen wird. Noch schwieriger ist der Verkauf von Firmenanteilen. Im Projekt soll systematisch dargestellt werden, in welchem der möglichen Fälle man unter welche Rechtsordnung fällt.

Grenzen im Kopf abbauen

Ein drittes Problemfeld fokussiert auf die Grenzen im Kopf des potenziellen Geldgebers. "Leute investieren lieber in Projekte, die ihnen nahe sind. Sie haben die – oft nicht richtige – Annahme, dass sie dann darüber besser Bescheid wissen", sagt der Finanzwirtschafter. "Die Frage aus Sicht der Unternehmer ist, wie man solche Hürden abbauen kann."

Studien, die sich mit den Erfolgsfaktoren beschäftigen, gibt es bereits. Projektvideos, Akteure, die über Social Media gut vernetzt sind, oder ein gutes System an Gegenleistungen, sogenannten Rewards, seien ausschlaggebend. "Es gibt aber noch keine Studien, wie man diesen Home-Bias reduzieren kann und sich auf eine regionale Zielgruppe einstellt." Eine emotionale Ebene, etwa die Identifikation mit einem Produkt oder Lebensstil, sei bei Kleinanlegern wichtig. Die Ausformung dieser Emotionalität sei regional aber unterschiedlich. "Briten muss man emotional anders ansprechen als etwa die Schweizer."

Zu berücksichtigen ist, dass Crowdfunding heute nicht mehr nur der Finanzierung dient. Eine Kampagne schafft öffentliche Aufmerksamkeit, festigt die Verbindung zwischen Unternehmen und Kunden und zeigt, ob ein Produkt am Markt ankommt, zählt Angerer auf. Ist die Kampagne erfolgreich, verbessert sich die Verhandlungsbasis gegenüber anderen Geldgebern. Aber auch die Investoren haben verschiedene Motive. Manche sind begeistert von einer Produktidee. "Andere wollen – acht Jahre nach Beginn der Finanzkrise – ihre Renditen mit Start-up-Anteilen aufbessern oder anstelle eines Real-Estate-Fonds gemeinsam in eine bestimmte Immobilie investieren." (pum, 25. 1. 2016)