Wien – Vor dem letzten Verhandlungsmarathon zum umstrittenen Staatsschutzgesetz bot Peter Pilz am Dienstagvormittag sein größtes Drohpotenzial auf. Sollten die Gespräche platzen, stellte der Grüne Rot und Schwarz in Aussicht, wolle er mit den Blauen so schnell wie möglich vor das Höchstgericht ziehen: "Denn dann ist es mein Ziel, dass das Gesetz schon bei Inkrafttreten vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wird – und dann verhandeln wir eben alles noch einmal."

Gespräche seit Mittag

Sprach’s – und schritt gegen Mittag zum High Noon mit den Verhandlern von SPÖ und ÖVP, konkret Otto Pendl und Werner Amon. Denn nach den Anschlägen von Paris wollen heute, Mittwoch, die Klubchefs der Koalition, Andreas Schieder und Reinhold Lopatka, endlich die erweiterten Befugnisse für die rund 500 heimischen Beamten des Verfassungsschutzes im Parlament absegnen, damit diese ab Jahresmitte vor allem Islamisten und Extremisten rascher dingfest machen.

Weil die Opposition befürchtet, dass mit dem von den Regierungsparteien vorgesehenen Regelwerk nicht nur tatsächliche Gefährder, sondern auch unzählige unbescholtene Bürger ins Visier der Ermittler geraten, wurde zumindest mit den Freiheitlichen und Grünen in getrennten Runden bis in die Abendstunden gerungen – vor allem um neue Formulierungen.

Neos und Team Stronach nicht am Tisch

Doch der Ausgang blieb bis zuletzt ungewiss – und die Neos und das Team Stronach gleich außen vor gelassen. Denn trotz der heiklen Materie brauchen SPÖ und ÖVP für ihren Beschluss gar keine Zweidrittelmehrheit, weil sie – trotz Protesten von Anwälten, Datenschützern und Journalistenvertretern – unter anderem keine richterliche Kontrolle rund um die einzelnen, durchaus strittigen Ermittlungsschritte vorgesehen haben.

Verdächtige Schalträger

Und derlei gibt es genug: Der Einsatz von bezahlten Vertrauensleuten in den gefährlichen Milieus etwa, oder der mehrere Dutzend Vergehen umfassende Deliktekatalog, im Rahmen dessen die Staatsschützer auf Verdacht hin Personen observieren dürfen.

Hier konnte Pilz zuletzt zwar von Fortschritten berichten, weil seine Partei nahezu alle Demonstrationsdelikte aus dem Gesetzestext herausreklamiert haben will – allerdings mit Ausnahme des "Landfriedensbruchs". Ein No-Go für den Grünen: "Damit würden organisierte Fußballfans, die bei einem Polizisten anstreifen könnten, als verdächtig gelten." Und so auch als potenzielle Gefährder "in den Computern der Staatsschützer" landen, samt all ihrer Kontaktpersonen, und: Bei Gefahr in Verzug könnten ihre Koordinaten auch an ausländische Dienste weitergereicht werden. "Es reicht also, sich gemeinsam einen grünen oder violetten Schal umzubinden", warnte Pilz.

Keine Spitzel an Stammtischen

Gernot Darmann von der FPÖ bestand bis zuletzt darauf, dass auch Meinungsdelikte aus dem Katalog genommen werden – während der Verhandlungen hieß es, dass bei Verdacht auf Verhetzung doch nicht alle Unterparagrafen für eine Observation schlagend werden sollen. Der Freiheitliche in einer Verhandlungspause zum STANDARD: "Es kann nicht sein, dass sich bei jeder Unmutsäußerung an einem Stammtisch – etwa gegen die Regierung – dort Spitzel einschleichen können."

Für eine lebhafte Parlamentsdebatte ist am Mittwoch jedenfalls gesorgt: Die Neos bringen einen Änderungsantrag ein, das Team Stronach will von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) exakt wissen, wie viele Heimkehrer aus dem Jihad sich hierzulande eigentlich tummeln. (Nina Weißensteiner, 26. 1. 2016)